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Brief vom 2. September 1694

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


16.


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St Clou den 2 Septembern a. 1694.
Hertzliebe Louisse, vorgestern habe ich Ewer schreiben vom 7/17 Aug. mitt freüden entpfangen; den es frewet mich nicht allein, zeittung von Eüch undt Ewere geschwister zu bekommen, sondern auch ich finde, daß Ihr recht woll schreibt, undt Ewere brieffe leße ich mitt lust undt divertiren mich recht, finde sie auch gar nicht zu lange. Es ist gewiß, daß wen ich nicht die gelegenheit hette, Eüch durch ma tante zu schreiben, wüste ich nicht, wie ich Eüch meine brieffe würde zubringen können; hette ich aber all vor [027] lengsten dießes erdencken können, würde ich Eüch nicht so lange ohne meine brieffe gelaßen haben. Daß ich noch so vielle tendresse bey Eüch, lieb Louisgen, vor mich verspüre, erfreüt mich sehr. Seydt versichert, daß Ihr auch allezeit ahn mir verspüren werdet, daß ich gar woll fühle, waß wir einander sein! Undt solte sich die gelegenheit finden, solches zu erweißen, werde ichs nie bey mir ermanglen laßen. Ich bin fro, daß es Carolline so woll geht undt daß mein ahndencken sie erfrewet hatt. Es ist mir aber leydt, zu vernehmen, daß sie so geendert undt nicht mehr schön ist. Die tugendt hilfft nichts zur jalousie; wen jemandes von dem humor ist, so meint man immer, man sehe waß, daß man doch nicht sicht, undt wan die quinte in dem hirn kompt, hilfft keine vorsichtigkeit noch raison. Es ist woll ein groß glück, daß dieße kranckheit Ewerm schwager vergangen ist, den ordinarie werdt es, so lange die leütte leben; aber daß er seine gemahlin hatt mitt printz Louis von Baaden hatt in die comedie gehen laßen, ist doch ein recht zeichen, daß er nicht mehr ahn dießer kranckheit fest ist. Wie kompts, daß der hertzog von Chomberg nicht zu felt diß jahr ist? Ich bilde mir ein, daß könig Wilhelm ihn dort gelaßen, umb jemandes recht trewe bey der königin zu wißen. Es ist mir gar lieb, daß I. L. mein vetter, der landtgraff, meinen gruß undt ahndencken so gar güttig auffgenohmen hatt, undt bin I. L. sehr verobligirt, daß sie mich zu sehen wünschen. So sehr ichs auch wünsche, so wenig darff ich doch solches hoffen. Es wirdt mich aber allezeit frewen, wen ich gedencke, daß I. L. sich meiner erinern undt ihre alte baß immer ein wenig lieb behalten, welches ich meritire durch die sentiementen, so ich vor I. L. undt die ihrige habe undt behalten werde. Durch ma tante von Tarante habe ich den landtgraff wahrnen laßen, wo mir recht ist, mir nicht zu schreiben; den ich würde die überschriefft nicht nach meinem sin machen dörffen, sondern wie man hir will, welches all abgeschmackt ist. Wie ich sehe, so ist nun große geselschafft zu Franckfort, welches, wie ich hoffe, Eüch andern ein wenig verenderung undt divertissement wirdt geben. So alt, alß ich auch jetzt bin, gestehe ich doch, daß es mir nicht leydt sein solte, noch ein mahl spielger undt sprichwörtter undt historien zu spiellen, wie wir in unßern jungen jahren spilten. Seyder I. G. unßers herr vattern s. todt habe ich nicht mehr gedantzt; die frantzosche däntze haben mir alles tantzen verleydt, kan also leicht begreiffen, daß man nicht [028] mehr gerne dantzt. Warlich alle lust ist mir auch greülich vergangen. Wen man so viel liebe verwantten verliehrt, alß wir verlohren haben, undt so viel unglück undt wideriches erlebt, ist es ohnmöglich, lustig zu bleiben. Die raison will woll, daß man sich nicht übermaßig betrüben solle, sie erfordert aber auch nicht, daß man sich ohne ursach erfreüen solle, undt ich, die gar natürlich bin, glaube, daß man sein muß, wie es die zeit erfordert, lustig, wen es einem woll undt vergnügt geht, undt trawerig, wen einem daß unglück überheüftt. So mache ich es, liebe Louisse! Ob es zwar denen, so man regretirt, ewig woll ist, so kan ich doch nicht glauben, daß es ihnen recht leydt sein könte, wen sie wißen solten, wie sehr unß ihre abweßenheit zu hertzen geht undt wie recht auffrichtig man sie geliebt hatt; den eine rechte freündtschafft kan nie mißfahlen. Hirvon were noch lang zu raisoniren; umb aber kurtz meine meinung hirüber zu sagen, so glaube ich, daß es nicht allerdings bey unß stehet, unß zu betrüben oder nach gefahlen zu trösten, undt daß unßer temperament undt nach dem die humoren disponirt sein, viel dazu decidiren. Ich habe schon gesagt, liebe Louisse, daß mir Ewere brieffe gar ahngenehm sein undt gar nicht zu lang fallen. Ich bin fro, daß Carl Moritz so woll mitt mir zufrieden ist; aber ich habe meine meinung, ohne ihm zu gefahlen gedacht, recht herauß gesagt. Daß thut den jungen leütten gutt, daß sie in krieg gehen. Ihn undt Amelisse ambrassire ich beyde hirmitt wie auch Caroline. Den Marsal kene ich gar nicht, es seye dan, wie offt hir geschicht, daß er noch einen andern nahmen hette; aber deßen nahmen Marsal da weiß ich gar nichts von, aber es nimbt mir kein wunder, daß sich dießer kerl ahngestelt hatt, alß wen er mich kente; all die Frantzoßen seindt von dem humor undt wollen alß weiß machen, daß sie die vornehmbsten bey hoff, ob sie zwar woll nie keines von unß ihr leben gesehen haben. Carl Moritz avanture mitt der indianische dinten hatt mich von hertzen lachen machen. Es ist possirlich. Mich wundert, daß der duc de Schomberg Ewere sache nicht ahn könig Wilhelm verzehlt; den der würde ja leicht recht schaffen können in Hollandt, undt ob schon mylord Portlandt drinen durch Ewer gegenparts fraw interessirt ist, so würde es noch mehr esclat geben, wen die gerechtigkeit drauff erfolgen würden. Ewer oncle, tanten undt alle gutte pfältzische bekantten finden meinen gruß wider hirinnen undt habe gerne, daß sie meiner nicht [029] vergeßen. Ob zwar wünsche undt voeux nicht viel helffen, so sindt sie doch immer ahngenehm, wen sie von gutten freünden geschehen. Ich fürchte, Ihr flatirt mich, indem Ihr sagt, daß ich so gutt teütsch noch schreibe; den ich rede offt in 3 monat kein wort teütsch undt es ist alebenwoll all 23 jahr, daß ich hir in Franckreich bin; were also kein wunder, wen ichs vergeßen hette. Waß mich noch mehr fürchten undt glauben macht, daß Ihr mich flattirt, ist, daß Ihr meine schreiben ma tante, I. L. der churfürstin zu Braunsweig, ihre vergleicht, wo bey meine woll gar nicht kommen können, den ma tante hatt taußendt mahl mehr vivacitet undt verstandt, alß ich. Man rufft mir zur taffel. Zu allem glück ist Ewer schreiben vollig beantwort; darumb nichts mehr sage, alß daß ich Eüch undt Ewere geschwister von hertzen lieb habe undt allezeit behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. September 1694 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 26–29
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0016.html
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