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A mad. Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Versaille den 11 December 1695.
Hertzliebe Louisse, mich deücht, daß mein letztes schreiben
gar lang unterwegen geweßen ist, wie ich auß Ewerm vom
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ersehen, so ich heütte entpfangen, welches, wie Ihr secht, dißmahl
auch nicht gar frisch ist; bilde mir ein, daß daß gethuns von der
princessin (jetzt hertzogin von Modene) beylager verursachet, daß
man Ewern brieff vielleicht eine post vergeßen hatte. Die vers, so
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Ihr mir, liebe Louisse, geschicket hattet, waren nicht schwer zu
rahten, daß es ein pfarer müste gemacht haben; den sie seindt gar
devot. Dießen pfarer mögte ich gerne sehen; den ich habe viel von
ihm gehört. Ma tante von Tarante hilt all viel von geistlichen.
Monsieur hatte ein premier ausmonier, so esvesque du Mans ist, so
auch sehr ma tante gutter freündt ware. Es ist mir, unter unß
gerett, recht leydt, daß wir einmahl erfahren haben, wo pfaltzgraff
Gustave ist; den ich sehe woll, daß ich ihm werde antwortten müßen.
Heütte aber kan es noch ohnmöglich geschehen; den ich habe kaum
der zeit, daß ich dießen brieff außschreibe; den gegen 5 muß ich in
die kirch undt umb 3 virtel auff 7 ins apartement. Ewere undt
meine excusse ahn dießen printzen habt Ihr, liebe Louisse, recht
woll gemacht, derowegen weitter nichts zu sagen. Wie ich dießen
gutten herren sehe, forchte ich, daß er nirgendts große fortune
machen wirdt. Die hahr tregt man nicht gar hoch hir, aber alle
daß andere zeüg ist noch hoch, doch nicht so sehr, wie es war;
den man tregt jetzt die coeffuren vorwertz gebogen undt nicht so
strack wie vor dießem. Daß man aber solle ein tax auff die
coeffuren gesetzt haben, ist nicht war; daß hatt jemandes auß poßen
erdacht. Ich bilde mir ein, daß Ihr jetzt wie hir müst coeffirt sein;
den man hatt mir gesagt, daß man in Engellandt über 2 finger
höher aufgesetzt seye, alß hir; drumb müst Ihr jetzt eben recht
sein. Von Spiegel habe ich noch nichts gehört, glaube also nicht,
daß er kommen ist. Ich finde, daß seine mutter recht gesprochen,
undt halte es vor ein groß lob, wen man sagt, daß ich ein teütsch
hertz habe undt mein vatterlandt liebe. Diß lob werde ich, ob gott
will, suchen biß ahn mein endt zu behalten. Ich habe nur gar zu
ein teütsch hertz; den ich kan mich noch nicht getrösten über
waß in der armen Pfaltz vorgangen; darff nicht dran dencken,
sonsten bin ich den gantzen tag trawerig. Biß sambstag werde ich
leyder wider in daß widerwertige Paris. Da werde ich erfahren, ob
der kauffman Perichon vom churfürsten von Saxsen ist bezahlt
worden oder nicht. Ihr schreibt mir woll von dem heüraht vom printzen
von Siegen undt wer er ist, aber nichts von pfaltzgraff Carls historie
mitt seinem freüllen von Hohenlo, wie dießer heüraht erstlich
geschloßen undt hernach gebrochen worden. Ich finde, daß Ihr recht
habt, liebe Louisse, eine kleine undt ahngenehme geselschafft einem
großen schwarm vorzuziehen. Wie Ihr mir, liebe Louisse, den gutten
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erlichen herr Max beschreibt, fürchte ich sehr, daß er es nicht lang
mehr machen wirdt; den allen apetit verlohren zu haben undt taglich
abzunehmen, seindt schlime zeichen zur geneßung. Wen ich Eüch
bezeüge, daß es mir leydt, Eüch nicht zu dinnen können, ist nicht zu sagen,
daß ich glaube, daß Ihr ahn meiner affection zweyffelt; den ich weiß,
daß genereusse gemühter nach kein interesse nicht fragen; allein so
kan man mir doch nicht verdencken, daß ich meinen versicherungen
gerne einen gutten nachdruck geben mögte undt solches von hertzen
wünsche. In dießen augenblick rufft man mir, umb in die kirch zu
gehen. Zu allem glück ist Ewer brieff beantwort, werde derowegen
nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch undt Amelisse von hertzen
ambrassire undt Eüch allezeit sehr lieb behalten werde.