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Brief vom 9. Oktober 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


53.


[093]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Fontainebleau den 9 October 1697.
Hertzliebe Louisse, vergangenen sontag habe ich Ewer schreiben vom 14/27 September in ma tante paquet gefunden, bedancke Eüch sehr vor daß mitleyden, so Ihr mir vor meinen boßen arm bezeuget. Seyder ich ein öhl drauff schmire, so man mir auß Itallien undt von Florentz geschickt, ist mein arm ohne vergleichung beßer. Freylich hatte mich nichts anderst verdorben, alß die balbirer hir. Ich fange doch nun ahn, zu hoffen, daß ich nicht lahm bleiben werde. Gestern habe ich ein wenig versuchen wollen, ob ich daß reitten nicht vergeßen; es kamme aber ein so abscheulicher regen, daß ich kaum eine halbe stundt zu pferdt sein konte. Daß schreiben incommodirt mich gantz undt gar nicht; den ich fühle gar keine schmertzen in der handt, sondern nur in der axel, wo ich keinen schaden gehabt; kompt nur, daß die balbirer mir den arm verkält haben; werde also selber auff Ewern lieben brieff antwortten. So lang man lebt, muß man nicht verzweyfflen, einander widerzusehen; den es kan sich hundertley zutragen, daß es geschehen könte. Ich glaub, Ihr spottet meiner, wen Ihr von Ewerm alter sprecht, liebe Louisse! Habt Ihr den vergeßen, daß ich 10 jahr älter bin, alß Ihr? Seydt also[1] ein kint bey mir zu rechnen. Ich würde allezeit eine große freüde haben, Eüch zu sehen undt von allem zufrieden seyn, wen Ihr nur, wen wir einander sehen solten, mir keine complimenten machtet undt frey undt offenhertzig mitt mir umbgeht; daß were alles, waß ich ahn Eüch undt Amelise wünsche. Unßer lieber ehrlicher Carllutz s. (welchen ich noch regretire undt offt beweine) hatt es so mitt mir gemacht; drumb habe ich ihn auch noch in seinem todt lieb. Mein glück in dießem leben ist eben nicht so unermeßen, daß ich die unglücklichen vor abgeschmackt halten solle; nein, liebe Louisse, nein, ich weiß, waß unglück ist, kan also mehr mittleyden mitt unglückliche haben, alß ein andere, insonderheit wen sie mir so nahe zugehören wie Ihr. Nichts stehet in unßer gewalt, wir seindt alle einem verhengnuß unterworfen; also ist es zwar woll gethan, zu suchen, sich in unglück zu faßen, allein es geschicht nur, waß gott der allmächtige [094] unß all lengst vorsehen hatt. Von hir kan ich nicht viel neües sagen. Daß der frieden zwischen Engellandt, Hollandt undt Spanien geschloßen, werdet Ihr schon wißen. Man meint, daß der mitt dem keyßer undt reich baldt folgen werde. Daß ist alles, waß ich vor dißmahl sagen kan, undt daß ich Eüch, liebe Louisse, undt Ewere geschwisterig von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Oktober 1697 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 93–94
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0053.html
Änderungsstand:
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