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Brief vom 10. Mai 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


59.


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St Clou den 10 May 1698.
Hertzliebe Louisse, wie ich gestern abendts umb 9 von Paris kamme, entpfinge ich Ewer schreiben vom 23 April–3 May, erfrewe mich von hertzen, darauß zu ersehen, daß Ihr nun wider bey vollkomener gesundtheit, gott sey danck, seydt. Ich weiß nur gar zu woll, waß vor eine abscheüliche vndt verfluchte kranckheit die kinderblattern sein, bin derowegen sehr in sorgen vor Eüch geweßen undt habe Eüch sehr beklagt. Mich wundert gar nicht, zu vernehmen, daß, Ihr so gar kranck dran geweßen seydt, daß Ihr eben in Ewerer kranckheit nicht so fleysig ahn unßern herr gott habt gedencken können, alß Ihr gewünscht; were doch nicht gefehrlich geweßen, indem waß Ihr gefabelt, wider Ewern willen geschehen, Ewer sonst tugendthafftes leben aber geschicht mitt Ewerem willen; also würde unßer herrgott, der gerecht ist, dießes alles ohne zweyffel betracht haben undt Ihr nicht desto weniger seelig geworden sein, wen Ihr gestorben weret, undt wie im Heydelberger cathegismus stehet, wen wir nur wahre reüe undt leydt über unßere sünde haben, mitt wahrem glauben daß leyden Christi ahnnehmen, so werden alle unßere überige schwachheitten mitt dem leyden undt sterben Christi bedeckt werden; also hattet Ihr ja nichts zu förchten, liebe Louisse! Es ist aber doch beßer, spät alß frühe zu [104] himmelen; die welt deücht wenig, es ist war, aber sterben ist doch auch waß abscheüliches undt wir wißen leyder wenig, waß wir nach dießer zeit sein werden. Ich bin fro, daß Eüch dieße heßliche kranckheit nicht so übel wie mich zugericht hatt. Ich habe Amelisse letztmahl gebetten, mir doch daß recept auff frantzösch zu schicken, im fall, da gott für seye, meine dochter dieße leydige kranckheit, so sie noch nicht gehabt, bekommen solte, daß ich ihr es auch brauchen mögte. Ich kan nicht begreiffen, waß benjole ist, wovon daß öhl gezogen wirdt. Der fraw von Bernstein kan ich ohnmöglich heütte wider auffwartten; es wirdt ein andermahl geschehen. Ich beklage sie, ihre schwester, die gütte Helmstätterin, verlohren zu haben. Die zwey Veningen bitte ich von meinetwegen zu grüßen. Augustin hatt mir seinen sohn vor pagen ahngebotten, er ist aber noch zu klein; lest mich aber gott der allmächtige noch etliche jahr erleben, so mögte es woll geschehen können. Ich bin recht fro, daß meine brieffe Eüch erfrewen undt ahngenehm sein; deren werde ich Eüch nicht manquiren laßen. Ma tante generositet ist mir bekandt. Wolte gott, es stünde bey mir, Eüch auch meine affection zu bezeügen, wie ich gerne wolte! so würdet Ihr nicht zweyfflen können, daß ich Eüch geschwister von hertzen lieb habe undt behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Mai 1698 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 103–104
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0059.html
Änderungsstand:
Tintenfass