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Brief vom 22. August 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


65.


[112]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Port royal den 22 Augusti.[1]
Hertzallerliebe Amelisse, vergangen montag habe ich Ewer lieben brieff vom 2/12 dießes monts zu recht entpfangen, aber ohnmöglich andern tags, ob es schon der posttag war, drauff antwortten können. Ich hatte zu starck geweint gehabt; den vergangen montag ist zu Versaille auf einen stutz eine von meinen gar gutten freündinen ahm schlag gestorben, sie hieße la princesse Despinois. Es war ein dame, die große meritten hatte, gar gutten verstandt, eine politesse, so über die maßen war, undt daß beste gemühte von der welt; sie dachte ahn nichts, alß ihre freünde undt verwanten zu dinnen; sie war von gar gutter geselschafft. Suma, es ist ein rechter verlust, daß die gutte princes gestorben, undt mir sehr zu hertzen gangen. Wen ich nur weiß, daß Ihr beyde vergnügt undt gesundt lebt, daß ist mir artig genung, liebe Amelisse! Die mühe [113] ist nicht groß, vor Eüch zu solicittiren; aber alles, worin ich mich interessire, leüfft nicht allzeit ahm besten ab; bey mir solle es nicht liegen, daß Ihr nicht ahm pfaltzischen hoff mogt ahngewießen werden. Es ist schadt, daß Churpfaltz nicht viel einkommens hatt, weillen I. L. so gern große despence machen. Es muß sich bey der churfürstin vattern undt muttern; den keines von beyden liebt die ohnnöhtige despence. Die gutte leütte zu Weinheim jammern mich recht, so große despence zu thun, ihren herrn zu entpfangen. Waß ist aber die fraw Heinze vor eine? Sie muß vielleicht von Dusseldorf sein; den in der Pfaltz habe ich mein leben nicht von dem nahmen gehört. Die Gret Veningen, jetzt Schelmin, muß die vivacitet mitt den jahren gekommen sein; den wie sie noch ledig war, hatte sie keine vivacitet nicht. Lenor war allein die, so ahm lustigsten war; sie ist lustiger alß nie, macht mich offt zu lachen undt wirfft mir doch offt vor, daß ich zu serieuse geworden bin. Woher ist aber daß stetige weinen der Bernsteinen ahnkommen? Vor dießem mogte sie lieber cartten spiellen, alß weinen. Wen man schon schön ist, wehrt es doch nicht, undt ein schön gesicht endert baldt, allein ein gutt gemüht ist zu allen zeitten gutt. Ihr müst meiner sehr vergeßen haben, wen Ihr mich nicht mitt unter den heßlichen rechnet; ich bin es all mein tag geweßen undt noch ärger hir durch die blattern worden; zu dem so ist meine taille monstreuse in dicke, ich bin so viereckt wie ein würffel, meine hautt ist rotlich, mitt gelb vermischt; ich fange ahn, graw zu werden, habe gantz vermischte haar schon, meine stirn undt augen seindt sehr runtzelicht, meine naße ist ebenso scheff, alß sie geweßen, aber durch die kinderblattern sehr brodirt, so woll alß beyde backen; ich habe die backen blat, große kinbacken, die zän verschlißen, daß maul auch ein wenig verendert, indem es größer undt rontzellicher geworden; so ist meine schöne figur bestehlt, liebe Amelisse! Ich glaube, sie werden mich endtlich närisch mitt den contrefetten machen; ich kan sie nicht von den leütten bekommen, so sie haben. Wovon kommen Eüch die bloden augen? Mich deücht, wie Ihr kinder wahret, war es Caroline alleine, so blode augen hatte. Ich muß lachen, daß Ihr sagt, daß ich beßere occupationen habe, alß zu arbeitten. Wen Ihr meint, daß der himmel hir voller geigen hengt, betriegt Ihr Eüch sehr; die langeweill regirt so starck hir, alß in keinem ort von der welt. Viel leütte hir drincken thé undt [114] caffé undt chocolat, aber ich nehme gar nichts von dießem zeüg, bilde mir ein, es seye nicht gesundt. Ich spielle auch nie, sehe nur etlichmahl zu, wen man abendts a lombre spielt. Ein spiel, wobey man lachen undt reden kan, würde hir sehr veracht werden. Unter dem grand prieur undt dem printz de Conti ist nie gar große freündtschafft geweßen; den der printz de Conti undt des grand prieurs bruder, der duc de Vandosme, pretendiren jeder, monsieur le Dauphins favorit zu sein. Ich habe letztmahl schon zum vorauß vor keyßer Carls kopffwaßer gedanckt. Vergest nicht, den zettel dabey zu schicken, von waß es kost! Ich weiß woll, daß man von printzes Amelie vor den römischen könig spricht; es kompt aber noch nichts gewißes hirvon. Mein dochter ist so persuadirt, daß sie mitt dem hertzog von Lotheringen glücklich sein wirdt, daß ich es gantz hoffe. Wen sie nur zufrieden ist, werde ich es auch sein; bedancke mich sehr vor den part, so Ihr drinnen nehmen wolt, undt erfrewet mich recht, Ewer affection zu verspüren. Seit versichert, daß ich Eüch kinder alle recht lieb habe! Von hir kan ich nicht viel neües sagen. Madame de Chartre hatt unß wider ein metgen daher gesetzt, biß dinstag solle es getaufft werden; monsieur le Dauphin undt die duchesse de Bourgogne werden sie auß der tauff halten. Die elste, so nun 3 jahr alt worden, ist froh, daß man sie mademoiselle d’Orleans heist undt ihr schwestergen mademoiselle de Chartre ist; die elste wirdt all artlich. Adieu, hertzliebe Amlisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt Louisse auch undt versicher Eüch, daß ich Eüch lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. August 1698 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 112–114
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0065.html
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