[112]
A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Port royal den 22 Augusti.[1]
Hertzallerliebe Amelisse, vergangen montag habe ich Ewer
lieben brieff vom
2/
12 dießes monts zu recht entpfangen, aber
ohnmöglich andern tags, ob es schon der posttag war, drauff antwortten
können. Ich hatte zu starck geweint gehabt; den vergangen
montag ist zu Versaille auf einen stutz eine von meinen gar gutten
freündinen ahm schlag gestorben, sie hieße la princesse Despinois.
Es war ein dame, die große meritten hatte, gar gutten verstandt,
eine politesse, so über die maßen war, undt daß beste gemühte von
der welt; sie dachte ahn nichts, alß ihre freünde undt verwanten
zu dinnen; sie war von gar gutter geselschafft. Suma, es ist ein
rechter verlust, daß die gutte princes gestorben, undt mir sehr zu
hertzen gangen. Wen ich nur weiß, daß Ihr beyde vergnügt undt
gesundt lebt, daß ist mir artig genung, liebe Amelisse! Die mühe
[113]
ist nicht groß, vor Eüch zu solicittiren; aber alles, worin ich mich
interessire, leüfft nicht allzeit ahm besten ab; bey mir solle es nicht
liegen, daß Ihr nicht ahm pfaltzischen hoff mogt ahngewießen
werden. Es ist schadt, daß Churpfaltz nicht viel einkommens hatt,
weillen I. L. so gern große despence machen. Es muß sich bey
der churfürstin vattern undt muttern; den keines von beyden liebt
die ohnnöhtige despence. Die gutte leütte zu Weinheim jammern
mich recht, so große despence zu thun, ihren herrn zu entpfangen.
Waß ist aber die fraw Heinze vor eine? Sie muß vielleicht von
Dusseldorf sein; den in der Pfaltz habe ich mein leben nicht von
dem nahmen gehört. Die Gret Veningen, jetzt Schelmin, muß die
vivacitet mitt den jahren gekommen sein; den wie sie noch ledig
war, hatte sie keine vivacitet nicht. Lenor war allein die, so ahm
lustigsten war; sie ist lustiger alß nie, macht mich offt zu lachen
undt wirfft mir doch offt vor, daß ich zu serieuse geworden bin.
Woher ist aber daß stetige weinen der Bernsteinen ahnkommen?
Vor dießem mogte sie lieber cartten spiellen, alß weinen. Wen man
schon schön ist, wehrt es doch nicht, undt ein schön gesicht endert
baldt, allein ein gutt gemüht ist zu allen zeitten gutt. Ihr müst
meiner sehr vergeßen haben, wen Ihr mich nicht mitt unter den
heßlichen rechnet; ich bin es all mein tag geweßen undt noch ärger
hir durch die blattern worden; zu dem so ist meine taille monstreuse
in dicke, ich bin so viereckt wie ein würffel, meine hautt ist
rotlich, mitt gelb vermischt; ich fange ahn, graw zu werden, habe
gantz vermischte haar schon, meine stirn undt augen seindt sehr
runtzelicht, meine naße ist ebenso scheff, alß sie geweßen, aber
durch die kinderblattern sehr brodirt, so woll alß beyde backen;
ich habe die backen blat, große kinbacken, die zän verschlißen,
daß maul auch ein wenig verendert, indem es größer undt
rontzellicher geworden; so ist meine schöne figur bestehlt, liebe Amelisse!
Ich glaube, sie werden mich endtlich närisch mitt den contrefetten
machen; ich kan sie nicht von den leütten bekommen, so sie haben.
Wovon kommen Eüch die bloden augen? Mich deücht, wie Ihr
kinder wahret, war es Caroline alleine, so blode augen hatte. Ich
muß lachen, daß Ihr sagt, daß ich beßere occupationen habe, alß
zu arbeitten. Wen Ihr meint, daß der himmel hir voller geigen
hengt, betriegt Ihr Eüch sehr; die langeweill regirt so starck hir,
alß in keinem ort von der welt. Viel leütte hir drincken thé undt
[114]
caffé undt chocolat, aber ich nehme gar nichts von dießem zeüg,
bilde mir ein, es seye nicht gesundt. Ich spielle auch nie, sehe
nur etlichmahl zu, wen man abendts a lombre spielt. Ein spiel,
wobey man lachen undt reden kan, würde hir sehr veracht werden.
Unter dem grand prieur undt dem printz de Conti ist nie gar
große freündtschafft geweßen; den der printz de Conti undt des grand
prieurs bruder, der duc de Vandosme, pretendiren jeder, monsieur
le Dauphins favorit zu sein. Ich habe letztmahl schon zum vorauß
vor keyßer Carls kopffwaßer gedanckt. Vergest nicht, den zettel
dabey zu schicken, von waß es kost! Ich weiß woll, daß man von
printzes Amelie vor den römischen könig spricht; es kompt aber
noch nichts gewißes hirvon. Mein dochter ist so persuadirt, daß
sie mitt dem hertzog von Lotheringen glücklich sein wirdt, daß ich
es gantz hoffe. Wen sie nur zufrieden ist, werde ich es auch sein;
bedancke mich sehr vor den part, so Ihr drinnen nehmen wolt, undt
erfrewet mich recht, Ewer affection zu verspüren. Seit versichert,
daß ich Eüch kinder alle recht lieb habe! Von hir kan ich nicht
viel neües sagen. Madame de Chartre hatt unß wider ein metgen
daher gesetzt, biß dinstag solle es getaufft werden; monsieur le
Dauphin undt die duchesse de Bourgogne werden sie auß der tauff
halten. Die elste, so nun 3 jahr alt worden, ist froh, daß man sie
mademoiselle d’Orleans heist undt ihr schwestergen mademoiselle
de Chartre ist; die elste wirdt all artlich. Adieu, hertzliebe
Amlisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt Louisse auch undt
versicher Eüch, daß ich Eüch lieb behalte.