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Brief vom 15. März 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


127.


[220]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfordt.

Marly den 15 Mertz 1701.
Hertzliebe Louisse, weillen l’abé de Thesseut nun morgen wider nach Franckfort wirdt, alß habe ich ihn nicht weg wollen laßen, ohne ahn Eüch undt Amelisse zu schreiben. Ich habe ihm Ewere interesse sehr ahnbefohlen undt wünsche, daß er Eüch nützlich sein möge. Ich habe seyder kurtzer zeit 3 liebe brieff von Eüch zu recht erhalten, einen vom 20 Februar durch monsieur von Baar undt zwey durch die post, einen von gleichem datum undt den andern vom 6 Mertz. Es ist woll war, daß die mäner viel glücklicher, alß die weiber, sein undt nicht nöhtig haben, so im zwang zu leben, sondern hinreißen können, wo sie wollen. Aber von Ewerem alter, liebe Louisse, könt Ihr nicht reden, ohne mich decrepit zu machen; den ich bin über 9 jahr alter alß Ihr, auch kene ich hir leütte von Ewerm alter, so noch gantz vor jung passiren wollen, voller bunde bandt sein, haben rodt weiß mouchen undt allerhandt schönne sachen ahn undt pretendiren, sehr charmant zu sein; die bleiben warlich nicht hinter den offen; also secht Ihr ja woll, liebe Louisse, daß Ihr groß unrecht habt, über Ewer alter zu klagen. Ich habe der zeit noch nicht gehabt, lang mitt dem marchalck von Homburg zu sprechen können; daß wirdt sich aber noch woll finden. Daß ist alles, waß ich auff dießen brieff sagen werde, kome jetzt auff selbigem von gleichem datum. Ich bin nun, gott seye danck, all lengsten in gar volkommener gesundtheit, dancke Eüch sehr vor den gutten wunsch, daß es bestandt mög haben. Ich kan ohnmöglich evittiren, nach Paris zu gehen, weillen Monsieur den ort so sehr liebt, muß also nur gedult haben. Alle die, so ihre freyheit zu Paris haben, können den ort woll lieben, allein ich nicht; den ich lebe dort gar gezwungen undt langweillig. Mich deücht, Churpfaltz hatt einen dollen ahnstalt, [221] keine schulden zu zahlen undt einen so gar großen hoffstatt zu halten. Es hatt mir nicht geschienen, alß wen abé de Thesseut einen so gar großen widerwillen hette, nach Franckfort zu reißen. Den envoyes von Gotha habe ich schon 2mahl gesehen, aber seine fraw nicht. Ich weiß nicht, ob er sie wirdt nach hoff laßen; den die weiber von envoyes werden schlegt bey hoff tractirt. Wen damen von qualitet herkommen, können sie mitt unß eßen undt in kutzschen fahren; so baldt sie aber envoyes-weiber sein, so könne sie es nicht mehr pretendiren; daß macht, daß gar wenige nach hoff kommen. Von staadtssachen höre ich nichts, alß waß in den gazetten stehet, undt misch mich auch in nichts, gehe überall meinen geraden weg fort. Es ist kein hermit, so einsamer lebt, alß ich, wie Eüch abé Thesseut wirdt sagen können. Von 1 biß 8 uhr bin ich allezeit muttersallein in meiner cammer undt die zeit wirdt mir gar nicht lang, finde alß etwaß zu thun. Nach allem ahnsehen nach wirdt es nun baldt krieg werden undt glaube nicht, daß, wen diß fewer einmahl wider ahngebrent sein, daß man es wider wirdt leschen können, glaube nicht, daß meiner kindtskinder kinder den frieden wider sehen werden. Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben von 6 Mertz undt werde solches gleich mitt einem filtz beantwordten. Daß Ihr, liebe Louisse, Eüch einbildet, daß Ihr mir zu offt schreiben könt, daß seindt quinten; den weillen Ihr ja woll wist, daß ich Eüch lieb habe, also müst Ihr ja gedencken, daß ich gern von Eüch höre undt brieff von Eüch habe.[1] Meint Ihr dan, daß dießer hoff hir nichts, alß lust undt freüden ist? O weit gefehlt, liebe Louisse! Wer alles lust hir im landt ohne boßheit undt falschheit, würde ich mein leben nicht einsam zubringen, wie ich thue; aber genung von dießem trawerigen text. Ich weiß all lengst, daß man sagt, daß der von Baar der freüllen von Leiningen mary de conscience ist; sie haben mir beyde einmahl davon gesprochen undt gesagt, daß Ihre feinde daß geschrey außbreitten, ambarassirten mich recht mitt. Es ist löblich ahn der landtgräffin, so charitabel zu sein. Es ist lenger, als 6 monat, daß ich den kleinen graffen von Leiningen nicht habe zu sehen bekommen. Er scheüt mich; den wen er es zu grob macht, filtz ich ihn braff auß. Die graffen von Nassau brauchen keine filz, seindt gar artig. Dem elsten ist ein groß unglück widerfahren; sie seindt mitt der kutzhen umbgeworffen worden undt dießer elste graff von [222] Nassau hatt sich den arm gebrochen undt außeinander gefahlen, undt die andere handt da seindt ihm die gebrochene gläßer von der kutzh nein kommen, leydt sehr ahn einem finger. Die historie vom könig in Poln ist recht possirlich. So lang Carl Moritz aug nicht gantz heill sein wirdt, wirdt mir immer bang vor ihm sein, daß er daß aug verliehren möge; den ein aug ist eine delicatte sache. Es wundert mich, daß Ihr meinen brieff noch nicht entpfangen habt, so ich Eüch von Paris auß geschrieben habe. Hirmitt seindt alle Ewere brieffe exact beantwortet Ich will jetzt ahn Amelisse schreiben undt sie undt Eüch versichern, liebe Louisse, daß ich Eüch beyde allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. März 1701 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 220–222
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0127.html
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