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Brief vom 12. Oktober 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


140.


[238]
Fontainebleau den 12 October 1701.
Hertzliebe Amellisse, wie ich vor etlichen tagen ahn Louisse schriebe, war mein ernstlicher vorsatz, Eüch gleich andern tags zu schreiben, habe aber ohnmöglich dazu gelangen können; bin allemahl dran verstöret worden, entweder daß mich der könig mitt sich auff die jagt in seiner calesch geführt, oder vissitten, oder meine affairen, allezeit ist waß dazwischen kommen, welches mir recht [239] leydt geweßen. Ich habe Ewere wehrte schreiben hir vom 4 undt 22 September zu recht entpfangen. Meine gesundtheit ist nun, gott lob, sehr volkommen, undt damitt sie so bleiben möge, fahr ich so offt auß, alß mir möglich ist, undt es ist auch, umb sie zu erhalten, daß mich der könig auff die jagt führt etlich mahl, wen mein miltz zu starck rast. Alles, waß hir ist, geht alle tag auff die jagt undt zweymahl die woch in die commedie, außer ich, wie Ihr leicht gedencken könt. Ich muß gestehen, unter unß gerett, daß es mir nicht eine kleine mortification ist, dießer beyden divertissementen zu entberen müßen. Zu fuß gehe ich gar offt spatziren undt jedesmahl eine gutte frantzösche meill durch den waldt durch; daß vertreibt die melancoley, welche sonsten hart nachsetzt, insonderheit wen ich von affairen reden hören, da ich mein leben vor dießem nichts von gehört. Es were mir hoch von nöhten, daß ich die sachen so woll alß Louisse verstehen könte. Wen ich dan von sachen höre, so ich nicht recht begreiffen kan (den im 50ten jahr zu lernen, ist waß spat), den werde ich bludtsleünisch undt kritlich wie eine wandtlauß. Apropo von wandtleüße, sie hetten schir die königin in Spanien, die junge, in den spanische galléen gefressen; man hatt sie gantze nächte bewachen müßen. Sie ist vor etlich tagen zu Toullon ahnkommen, wirdt von dar zu landt nach Barcelonne. I. M. können nicht lenger auff der sehe daweren, wie sie mir geschrieben haben. Ich mögte nicht in dießer königin platz sein. Königin sein ist überall beschwerlich, aber königin in Spanien ist noch ärger, alß alles. Mich deücht, ma tante, die fraw churfürstin, würde sich beßer dazu schicken können, alß ich. König Wilhelm endert offt von favoritten, solle jetz, wie man sagt, wider einen neüen ahn Albermale platz haben. Daß die königin, seine gemahlin, bey ihren lebenszeitten keine rivalle bekommen, ist nicht zu verwundern. Die von könig Wilhelms inclination sein, fragen nach keine weiber nichts. In dießer sach bin ich so gelehrt hir in Franckreich worden, daß ich bücher davon schreiben könte. Ihr habt mir, liebe Amelisse, einen rechten gefallen gethan, mir alles zu schreiben, waß Ihr in der meß gesehen; daß gibt mir verenderung undt vertreibt die melancolische gedancken. Mich deücht, der kleine graff von unßers graff Hans Lutz söhngen hatt keinen dicken buch; der muß ihm den erst auff der reiße gekommen sein, sehe auch nicht, daß es hir die mode ist, wie monsieur Bar gesagt [240] hatt. In dießem augenblick bringt man mir Eweren lieben brieff vom 6 dießes monts, worauff ich gleich andwortten werde. Die kleine princes, pfaltzgraff Carls dochtergen, wirdt woll jetzt ihr muttergutt haben; drumb muß sie ohne zweyffel so viel leütte bey sich haben. Dießes pfaltzgraffen zweyter heüraht steht mir nicht ahn; den es seindt nur princessinen in idéen in Poln, in der that aber nur gutte edelleütte; finde also, daß der pfaltzgraff sich mesallirt. Ich bin alß verwundert, daß man bey jetzigen zeitten keine rechte kinder mehr sicht; den kinder von 9 jahren wißen nun zu reden undt zu leben wie menschen von 30 jahren. Daß war artig undt recht conform, wie der burgemeister daß kleine printzesgen getracktirt hatt; bin gewiß, daß I. L. es ihm ihr leben werden danck wißen. Ich habe hoch von nöhten, daß man mir ein wenig distraction gibt, wie Ihr thut, liebe Louisse! Den ich habe serieusse sachen genung im kopff undt bins so satt, wie die gutte fraw von Harling alß pflegt zu sagen, alß wen ichs mitt löfflen gefreßen hette. Ich muß gestehen, daß mir könig Jacobs todt alle trawerigkeit wider in kopff gebracht. Die königin ist in einem standt, so einem stein erbarmen mögte. Der gutte könig Jacob ist mitt einer solchen standthafftigkeit gestorben, die nicht zu beschreiben, ganz ruhig, alß wie einer einschläfft. Den tag vorher, ehe er starb, rieff er lautt: Ich verzeye von grundt meiner sehlen meiner tochter alles, waß sie mir übels gethan hatt, undt bitte gott, daß er ihr es auch vergeben möge, wie imgleichen dem printzen von Oranien undt allen meinen feinden. Der fraw von Brun todt hatt mich recht gejammert. Ich mögte gern wißen, wie alt sie geworden ist. Wie ich sehe, so hettet Ihr gern, daß Ewer tanten geist auff Eüch ruhen mögte, wie der geist deß prophetten Elias auff den prophetten Elissée. Ich weiß nicht, ob Ihr Eüch noch deß alten Capten erinert, so meines brudern s. silberdinner war, wie er noch churprintz war. Der sagte immer zu den pagen: Wiltu nicht alt werden, so laß dich jung hencken! Daß frantzösche sprichwort aber sagt: L’home proposse et dieu disposse. Drumb muß man ihn gewehren laßen, wie Ihr gar recht sagt, liebe Amelisse! In deßen schutz befehle ich Eüch auch undt verbleibe gewiß die person von der welt, so Eüch undt Louisse ahm liebsten hatt.
[241] P. S.
Ich muß doch noch sagen, daß, wen Carl Moritz mir schreibt, macht er mir alß complimenten a perte de veüe. Ich habe aber dagen protestirt undt gebetten, er möcht mich damitt verschonen undt nur wie Ihr undt Louisse schreiben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Oktober 1701 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 238–241
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0140.html
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