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Brief vom 10. Dezember 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


147.


[253]

A mad. Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 10 Decembris 1701.
Hertzliebe Louisse, vor etlichen tagen habe ich einen lieben brieff von Eüch entpfangen vom 19 November, aber ohnmöglich eher, alß heütte, drauff andtwortten können; den wegen der verdrießlichen sach zu Rom habe ich dieße woche so viel zu thun undt zu schreiben gehabt undt auch noch die vergangene woche, daß ich Eüch ohnmöglich habe schreiben können, noch ahn Amelisse, aber ich hoffe, daß ich nun baldt ahn Eüch beyde werde andtwortten können, fange bey Eüch, alß die älste, ahn; umb alles in der ortnung zu verichten, fange bey Ewerm ersten ahn. Ich glaube, ich kan gar leicht errahten, waß Ihr gedacht, so eben nicht just dasselbige ist, waß Lenor gedacht meinetwegen. Ihr werdet, liebe Louisse, auß meiner andtwort sehen, ob ich recht gerahten habe oder nicht, waß ich gedencke, daß Ihr anderst denkt alß Lenor undt doch auff eines ahnkompt. Darauff sage ich, daß, wen ich dießes jemahlen im sin gehabt hette, so würde ich jetzt von dießen gedancken abstehen, weillen sie ma tante schädtlich sein könten, deren ich alles in der welt schuldig bin. Waß aber den wünsch ahnbelangt, daß gott mir schicken möge, waß meine zeitliche undt ewige wohlfahrt ahnbelangt, so bin ich Eüch gar sehr davor verobligirt, aber in dießer weldt erwarte ich gar keiner wolfahrt mehr, bin zu alt, etwaß zu genießen können; waß die ewige ahnbelangt, so hoffe ich, daß, weillen ich gott trewlich ahnruffe, mein bestes thue, nach seinen gebotten zu leben undt ihn ohne aberglauben zu dinnen, daß nach viellen trübsaahlen, so er mir in dießem leben zugeschickt, meine sünde genung hatt büßen machen undt daß vertrawen, so ich habe auff den verdinst unßers herrn Jesu Christi, [254] mich nach dießem leben in himmel bringen wirdt, bin also weder vor dießer noch jener weldt in sorgen. Mylord Oustack[1] kene ich gar woll; er hatte hier viel conquetten, mans- undt weibspersonnen gefiel er gar woll, es seindt schon etliche davon todt. Mademoiselle de Malauze hatt mir auch geschrieben, daß könig Wilhelm gantz gesundt wider ist. Millord Oustack habe ich gar ein artig bürschen gefunden; wen er nur daß grimassiren laßen könte! Ich weiß nicht, ob er es seyder dem abgewohnt hatt. Man hatte mir gesagt, er were, seyder er hir geweßen, gantz taub geworden, welches woll schadt vor den artigen jungen menschen were. Ich bin fro vors vatterlandt, daß es mylord Oustack in Teütschlandt woll gefahlen, da er doch schon Franckreich, Engellandt undt Hollandt gesehen. Hir hatt er nicht viel lust in geselschafft gesehen. Alles geht gar stämig hir her, mäner undt weiber begreiffen keine lust, alß gar ernstlich groß spiel zu spiellen, aber umb lustig sein undt nur spiellen, umb zu lachen, daß können sie nicht begreiffen. Der graff von Solms, so so lustig ist, muß ein gutter artiger herr sein. Es ist, wie ich glaube, le sort de nostre sang, unglücklich im spiellen zu sein; wen ich spielle, welches mir woll selten geschicht, verliehre ich allezeit. Nahe freündt undt verwandten thun allezeit woll, sich zu accordiren undt keine proces zu haben. Wen baron Willig sich nicht in seiner schwester sach mehr mischen wirdt, hoffe ich, daß Ewer proces zum endt gehen wirdt undt Ihr Eüch werdet accordiren können. Dießer baron hatt hier viel paprassen ahn den comte de Gesseau geschickt, umb den proces wider ahnzufangen; weillen er aber dießen comte Gesseau schon offt selber betrogen undt umb daß seinige gebracht, hatt dießer gar nichts mehr mitt seinen affairen wollen zu thun haben. Ihr habt groß recht, liebe Louisse, die sach zum endt zu bringen wollen, damitt Ihr nicht mehr mitt mögt gequelt sein. Der baron von Wylich ist in ein mansperson, wie die contesse de Pembesch, Orbesch etc. in der commedie des Plaideurs eine weibsperson ist, weillen er seine gröste freüde in processen sucht. Ewere brieffe gefahlen mir allezeit, liebe Louisse, wen Ihr mir natürlich sprecht, wie Ihr thut. Wen man sich gar woll divertiren will, geht man in eine commedie; wen man aber mitt freünden undt verwanten spricht, sagt man, waß man weiß undt einem ahngeht; mitt frembten aber macht man complimenten, welches aber langweillig ist, [255] undt nichts ahngenehmer, alß wen man natürlich spricht in meinem sin allezeit. Solche humoren, wie der graff von Solms ist, gefahlen allezeit. Hette er keinen verstandt, konte er nicht so possirlich sein; er muß den gutten humor von seiner fraw mutter her haben. Meine dochter hatte mir deß graffen von Brockdorfs avanture geschrieben; ist zu beklagen. Daß testament von mein herr vatter s. ist mir gar woll zu paß kommen; es solle, wie man mir versichert, mir gar nöhtig geweßen [sein], dancke Eüch also nochmahlen von hertzen davor. Vom Zweyffel werde ich nichts mehr sagen; Ihr wist nun woll, wie alles gangen. Ohne eydt undt schwur kan undt will ich Eüch, lieb Louisse, woll glauben, daß Ihr nicht gern bettelt. Herr Jesus, wo soltet Ihr daß gelernt haben? Hiemitt ist Ewer erstes schreiben vollig beantwortet; ich komme jetzt auff daß zweyte. Ich habe woll gedacht, daß Eüch Zweyffels propossitionen undt mitt einem wordt bettelleyen nicht gefahlen würden. Mein heürahtscontract hatt man so ellendt auffgesetzt, alß wen ich ein burgersdochter were; kan nicht begreiffen, wie I. G. der churfürst s. mich selbigen hatt unterschreiben machen. Aber mein hauß ist so groß, daß, ob der könig mir zwar 250 taußendt francken pension giebt undt man mein heürahtsguht undt alles dabey regnet, so fehlt es noch ahn noch einmahl so viel, alß der könig mir gibt, umb mich nach meinem standt gemeß zu unterhalten, undt daß, weillen auff alle chargen gerechtigkeitten seindt, alle erkaufft sein undt ich also nicht retranchiren kan, auch hir im landt so thewer undt außer preiß ist. Es ist also gar weit gefehlt, daß ich die pfaltzische gelter frey undt zu spielgelt, so zu sagen, haben solte; ich muß sie haben, meinen standt zu erhalten, undt werde nichts davon apart zu legen haben. Were es, wie Ihr es gemeindt, würde ich gar gewiß vergnügt leben, aber ich bin leyder weit davon. Wen die sachen woll gehen, ist es ein spaß, davon zu reden, aber wen sie übel gehen, ist es warlich gar keine lust, sondern macht recht gridtlich. Die docktoren in recht machens den eben auch, wie ich sehe, alß die von der medecin. Ich kan leicht gedencken, wie Ihr wünscht, von dießen leütten befreyet zu sein. Ich bin fro, daß mein compliment der fraw von Wolmerhaußen ahngenehme geweßen. Es ist mir leydt, daß die gutte fraw so alt wirdt; sie ist doch, wie ich glaube, nur 84 alt; es were mir recht leydt, wen sie sterben solte. Ich wuste schon durch [256] ma tante, die fraw churfürstin, daß mein neuveu, der junge landtgraff, wider zu Cassel ahnkommen. Alleweill entpfangt Susson auch die zeittung von ihrer schwester todt; unßer herrgott hatt ihr woll gethan. Ich bin fro, daß deß graffen von Brockdorf kinder mitt mein dochter zufrieden sein, undt Ihr secht, daß ich Ewere comission woll vericht. Mein dochter undt ihr herr seindt rechte kälber; es ist eine schandt, daß sie so kindisch sein. Mein dochter hatt sich bleßirt, weillen sie mitt ihrem herren gespilt, so ihr die arm verthrehet, ist den 4ten tag drauff ins kindtbett kommen. Vor alle gutte wünsche dancke ich Eüch von hertzen, liebe Louisse! Ich mißgönne Eüch zwar die gnade nicht, so Ihr haben werdet, ma tante auffzuwartten, ich mögte es aber auch gern thun. Man rufft mich; es ist zeit, nüber zum könig zu gehen. Ich kan ohnmoglich dießen brieff überleßen; bitte, entschuldigt die fehler, liebe Louisse, undt glaubt, daß ich Eüch undt Amelisse allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Dezember 1701 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 253–256
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0147.html
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