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A mad. Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Versaille den 10 Decembris 1701.
Hertzliebe Louisse, vor etlichen tagen habe ich einen lieben
brieff von Eüch entpfangen vom 19 November, aber ohnmöglich
eher, alß heütte, drauff andtwortten können; den wegen der
verdrießlichen sach zu Rom habe ich dieße woche so viel zu thun undt
zu schreiben gehabt undt auch noch die vergangene woche, daß ich
Eüch ohnmöglich habe schreiben können, noch ahn Amelisse, aber
ich hoffe, daß ich nun baldt ahn Eüch beyde werde andtwortten
können, fange bey Eüch, alß die älste, ahn; umb alles in der
ortnung zu verichten, fange bey Ewerm ersten ahn. Ich glaube, ich
kan gar leicht errahten, waß Ihr gedacht, so eben nicht just
dasselbige ist, waß Lenor gedacht meinetwegen. Ihr werdet, liebe
Louisse, auß meiner andtwort sehen, ob ich recht gerahten habe
oder nicht, waß ich gedencke, daß Ihr anderst denkt alß Lenor
undt doch auff eines ahnkompt. Darauff sage ich, daß, wen ich
dießes jemahlen im sin gehabt hette, so würde ich jetzt von dießen
gedancken abstehen, weillen sie ma tante schädtlich sein könten,
deren ich alles in der welt schuldig bin. Waß aber den wünsch
ahnbelangt, daß gott mir schicken möge, waß meine zeitliche undt
ewige wohlfahrt ahnbelangt, so bin ich Eüch gar sehr davor
verobligirt, aber in dießer weldt erwarte ich gar keiner wolfahrt mehr,
bin zu alt, etwaß zu genießen können; waß die ewige ahnbelangt,
so hoffe ich, daß, weillen ich gott trewlich ahnruffe, mein bestes
thue, nach seinen gebotten zu leben undt ihn ohne aberglauben
zu dinnen, daß nach viellen trübsaahlen, so er mir in dießem leben
zugeschickt, meine sünde genung hatt büßen machen undt daß
vertrawen, so ich habe auff den verdinst unßers herrn Jesu Christi,
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mich nach dießem leben in himmel bringen wirdt, bin also weder
vor dießer noch jener weldt in sorgen. Mylord Oustack
[1] kene ich
gar woll; er hatte hier viel conquetten, mans- undt weibspersonnen
gefiel er gar woll, es seindt schon etliche davon todt. Mademoiselle
de Malauze hatt mir auch geschrieben, daß könig Wilhelm gantz
gesundt wider ist. Millord Oustack habe ich gar ein artig bürschen
gefunden; wen er nur daß grimassiren laßen könte! Ich weiß nicht,
ob er es seyder dem abgewohnt hatt. Man hatte mir gesagt, er
were, seyder er hir geweßen, gantz taub geworden, welches woll
schadt vor den artigen jungen menschen were. Ich bin fro vors
vatterlandt, daß es mylord Oustack in Teütschlandt woll gefahlen,
da er doch schon Franckreich, Engellandt undt Hollandt gesehen.
Hir hatt er nicht viel lust in geselschafft gesehen. Alles geht
gar stämig hir her, mäner undt weiber begreiffen keine lust, alß
gar ernstlich groß spiel zu spiellen, aber umb lustig sein undt
nur spiellen, umb zu lachen, daß können sie nicht begreiffen. Der
graff von Solms, so so lustig ist, muß ein gutter artiger herr sein.
Es ist, wie ich glaube, le sort de nostre sang, unglücklich im
spiellen zu sein; wen ich spielle, welches mir woll selten geschicht,
verliehre ich allezeit. Nahe freündt undt verwandten thun allezeit
woll, sich zu accordiren undt keine proces zu haben. Wen baron
Willig sich nicht in seiner schwester sach mehr mischen wirdt,
hoffe ich, daß Ewer proces zum endt gehen wirdt undt Ihr Eüch
werdet accordiren können. Dießer baron hatt hier viel
paprassen ahn den comte de Gesseau geschickt, umb den proces
wider ahnzufangen; weillen er aber dießen comte Gesseau schon offt
selber betrogen undt umb daß seinige gebracht, hatt dießer gar
nichts mehr mitt seinen affairen wollen zu thun haben. Ihr habt
groß recht, liebe Louisse, die sach zum endt zu bringen wollen,
damitt Ihr nicht mehr mitt mögt gequelt sein. Der baron von
Wylich ist in ein mansperson, wie die contesse de Pembesch,
Orbesch etc. in der commedie des Plaideurs eine weibsperson ist,
weillen er seine gröste freüde in processen sucht. Ewere brieffe
gefahlen mir allezeit, liebe Louisse, wen Ihr mir natürlich sprecht,
wie Ihr thut. Wen man sich gar woll divertiren will, geht man
in eine commedie; wen man aber mitt freünden undt verwanten
spricht, sagt man, waß man weiß undt einem ahngeht; mitt
frembten aber macht man complimenten, welches aber langweillig ist,
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undt nichts ahngenehmer, alß wen man natürlich spricht in
meinem sin allezeit. Solche humoren, wie der graff von Solms ist,
gefahlen allezeit. Hette er keinen verstandt, konte er nicht so
possirlich sein; er muß den gutten humor von seiner fraw mutter her
haben. Meine dochter hatte mir deß graffen von Brockdorfs
avanture geschrieben; ist zu beklagen. Daß testament von mein herr
vatter s. ist mir gar woll zu paß kommen; es solle, wie man mir
versichert, mir gar nöhtig geweßen [sein], dancke Eüch also
nochmahlen von hertzen davor. Vom Zweyffel werde ich nichts mehr
sagen; Ihr wist nun woll, wie alles gangen. Ohne eydt undt
schwur kan undt will ich Eüch, lieb Louisse, woll glauben, daß
Ihr nicht gern bettelt. Herr Jesus, wo soltet Ihr daß gelernt
haben? Hiemitt ist Ewer erstes schreiben vollig beantwortet; ich
komme jetzt auff daß zweyte. Ich habe woll gedacht, daß Eüch
Zweyffels propossitionen undt mitt einem wordt bettelleyen nicht
gefahlen würden. Mein heürahtscontract hatt man so ellendt
auffgesetzt, alß wen ich ein burgersdochter were; kan nicht
begreiffen, wie I. G. der churfürst s. mich selbigen hatt unterschreiben
machen. Aber mein hauß ist so groß, daß, ob der könig mir zwar
250 taußendt francken pension giebt undt man mein heürahtsguht
undt alles dabey regnet, so fehlt es noch ahn noch einmahl so
viel, alß der könig mir gibt, umb mich nach meinem standt gemeß
zu unterhalten, undt daß, weillen auff alle chargen gerechtigkeitten
seindt, alle erkaufft sein undt ich also nicht retranchiren kan, auch
hir im landt so thewer undt außer preiß ist. Es ist also gar weit
gefehlt, daß ich die pfaltzische gelter frey undt zu spielgelt, so zu
sagen, haben solte; ich muß sie haben, meinen standt zu erhalten,
undt werde nichts davon apart zu legen haben. Were es, wie Ihr
es gemeindt, würde ich gar gewiß vergnügt leben, aber ich bin
leyder weit davon. Wen die sachen woll gehen, ist es ein spaß,
davon zu reden, aber wen sie übel gehen, ist es warlich gar keine
lust, sondern macht recht gridtlich. Die docktoren in recht
machens den eben auch, wie ich sehe, alß die von der medecin. Ich
kan leicht gedencken, wie Ihr wünscht, von dießen leütten befreyet
zu sein. Ich bin fro, daß mein compliment der fraw von
Wolmerhaußen ahngenehme geweßen. Es ist mir leydt, daß die gutte
fraw so alt wirdt; sie ist doch, wie ich glaube, nur 84 alt; es
were mir recht leydt, wen sie sterben solte. Ich wuste schon durch
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ma tante, die fraw churfürstin, daß mein neuveu, der junge landtgraff,
wider zu Cassel ahnkommen. Alleweill entpfangt Susson auch die
zeittung von ihrer schwester todt; unßer herrgott hatt ihr woll
gethan. Ich bin fro, daß deß graffen von Brockdorf kinder mitt mein
dochter zufrieden sein, undt Ihr secht, daß ich Ewere comission
woll vericht. Mein dochter undt ihr herr seindt rechte kälber; es
ist eine schandt, daß sie so kindisch sein. Mein dochter hatt sich
bleßirt, weillen sie mitt ihrem herren gespilt, so ihr die arm
verthrehet, ist den 4ten tag drauff ins kindtbett kommen. Vor alle
gutte wünsche dancke ich Eüch von hertzen, liebe Louisse! Ich
mißgönne Eüch zwar die gnade nicht, so Ihr haben werdet, ma tante
auffzuwartten, ich mögte es aber auch gern thun. Man rufft mich;
es ist zeit, nüber zum könig zu gehen. Ich kan ohnmoglich dießen
brieff überleßen; bitte, entschuldigt die fehler, liebe Louisse, undt
glaubt, daß ich Eüch undt Amelisse allezeit von hertzen lieb
behalte!