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Brief vom 16. Februar 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


155.


[268]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Meudon den 16 Februari 1702.
Hertzliebe Amelise, ein frantzösch sprichwort sagt: Il veaut mieux tard que jamais. Also schreibe ich jetzt. In Louisse brieff werdet Ihr sehen, waß mich bißher ahn schreiben verhindert hatt, aber umb nicht zweymahl einerley zu repetittiren, so sage ich es hirmitt nicht. Wolte gott, liebe Amelisse, meine glückwunsch könte reussiren! Den ich es woll von gantzen hertzen thue. Ich aprobire allezeit alles, waß raisonable ist. Heürahten ist keine ahngenehme sach. Aber waß will man ahnfangen? Sich nicht zu heürahten, ist nicht viel beßer. Alle stände in dießer welt seindt viellem verdruß unterworffen; daß ist die welt. Jedoch ist es beßer, in einem standt zu sein, da man einem beklagt undt nicht außlacht, alß in einem zu bleiben, da man nicht viel glücklicher ist undt noch dabey außgelacht wirdt, undt man hatt doch dem trost im heürahten, daß man ander leütte raht gefolgt hatt, so es gutt mitt unß meinen. Daß der graff ein gutt gemühte hatt, ist gutt; den da ist man ordinarie raisonabel bey. Es ist ein glück, daß deß graffen bruder ein pietist geworden, nur zu fürchten, daß man ihn desabussiren möge. Mitt einem wort, liebe Amelisse, es ist ein recht verhengnuß im heürahten; die es sein sollen, werden es, sie mogen es wollen oder nicht. Ich glaube, der könig in Preussen, dem Ihr ja nahe genung seydt, wirdt lieber haben wollen, daß dießer graff Eüch nimbt, alß ein andere; ich hoffe es allezeit. Mich verlangt, zu hören, waß drauß werden wirdt. Ich bin nicht Ewerer meinung, daß Ihr Eüch eher in Stauffeneck einsperren solt, allß in der welt eine alte jungfer zu leben. Nein, wen man die resolution gefast, nicht zu heürahten, so muß mans vor keine schande halten undt gerade vor sich weg leben. Wer weiß, ob es Louisse destein nicht auch ist, einmahl zu heürahten? Den müst Ihr sie wider außlachen. Hir hört man von keine hochzeitten, sondern nichts, alß von sterben undt umbkommen. Ich bitte, schreibt mir doch [269] baldt, wie es mitt Ewerm heüraht stehet, undt seydt versichert, liebe Amelisse, daß sich niemandts mehr in Ewer glück interessirt, alß ich! den ich habe Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Februar 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 268–269
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0155.html
Änderungsstand:
Tintenfass