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Brief vom 9. März 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


158.


[270]
Versaille den 9 Mertz 1702.
Hertzliebe Amelisse, ob ich zwar heütte ein starck kopffwehe habe, so kan ich Eüch doch nicht allein zurück laßen, da ich ahn Ewer bruder undt schwester geschrieben. Der ahnfang von Ewerm brieff hatt mich ahnfangs erschreckt, aber hernach habe ich woll gesehen, daß Ihr Eüch verschrieben habt; den Ihr sagt: Ich habe vergangen so sehr geheildt; so meinte ich, es were geweindt, habe aber hernach woll gesehen, daß es geeyllet hatt heißen sollen. [271] Ich[1] habt recht, zu glauben, daß ma tante mir alles geschrieben, waß in den redoutten vorgangen. Ma [tante] hatt mir auch jetzt von Ewerer sach geschrieben, davon I. L. bißher nichts. Weillen sie mir nichts davon gesagt hatten, habe ich auch gethan, alß wen ichs nicht wüste. Der graff von Warttenberg vergist sich abscheulich undt weiß nicht mehr, wer er ist, aber er solte gedencken ahn daß alte sprichwort, daß hoffart allezeit vor den fall kompt, mag sich also woll in acht nehmen. Er solte gedencken, daß seine schwester Eüch nie nichts disputirt hatt undt doch von beßerer qualitet war, alß seine fraw. Solche sachen machen mich allezeit ungedultig, wen sich die leütte so vergeßen. Wie können andere die gnaden begehren, so ma tante Eüch thut, undt drüber eyffern? den sie seindt ja ma tante nicht so nahe, alß Ihr undt Louisse. Ich bin Eüch, liebe Amelisse, recht verobligirt vor Ewer vertrawen; nichts ist mir ahngenehmer undt erweist mehr, daß Ihr mich lieb habt; daß habe ich taußendt mahl lieber, alß complimenten; wolte nur, daß ich Eüch trösten könte. Louisse ist, glaube ich, so müde von Ewers schwagers affairen, daß sie fürcht, noch mehr zu thun zu bekommen, wen sie sich heürahten solte. Alles wirdt geschehen, wie es unßer hergott von allen zeitten verhengt. Er gebe Eüch beyden alles, waß Eüch nutz undt seelig sein mag! Die frantzösche Wörter können mir nicht frembt vorkommen; den Ihr könt ohne hexerey leicht gedencken, daß ich deren ein wenig hir deß tages höre, sie also gar woll verstehe. Wen ich nur mein Teütsch nicht vergeße! den ich rede es gar wenig nun. Fehle ich im Teütschen, so corigirt mich! Ich werde Eüch deßgleichen im Frantzöschen thun. Adieu, liebe Amelisse! Ich habe Eüch von hertzen lieb.
P. S.
Ich kan ohnmoglich mein brieff überleßen undt corigiren; den ich muß noch 2 brieff schreiben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. März 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 270–271
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0158.html
Änderungsstand:
Tintenfass