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Brief vom 12. Juli 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


175.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Marly den 12 Julli 1702.
Hertzliebe Amelise, vorgestern habe ich Ewer schreiben vom 1 dießes monts zu recht entpfangen. Ich bin Eüch sehr verobligirt, daß Ihr Eüch über meiner beßerung erfrewet habt, allein wie Ihr auß meinem letztem schreiben werdet ersehen haben, so bin ich wider umbgeschlagen; seyderdem ich aber vom letztem fieber wider loß bin, habe ich mich, gott lob, all zimblich woll befanden. Ein zeichen, daß mir die aderläß gar nicht woll bekommen, ist, daß mir daß fieber wider kommen ist nach aller meiner mattigkeit. Mich wundert, daß Ihr der fraw von Rotzenhaussen letzten brieff noch nicht entpfangen habt, den sie Euch in wehrendem meinem fieber geschrieben hatt. Da sitzt sie bey mir undt spindt seyden; den die damen, so arbeitten, macht man sitzen, ob sie schon den tabouret nicht haben; waß die damen spinen, daß haßpelle ich. Ich habe Eüch schon letztmahl daß leydt geklagt wegen Carl Moritz todt. Ich kan leicht begreiffen, wie man deß lebens satt kan werden. Ich wünsche mir zwar den todt nicht, allein wens ahns sterben gehen wirdt, werde ich baldt meine parthey nehmen können undt ohne nichts in dießer weldt sonderlich zu regretiren. Wie konte aber Carl Moritz daß hoffleben so beschwerlich sein, da er doch allezeit so gar lustig dabey wahre? Madame Gregu hatt ihn umbs leben gebracht, ihn so ahn den wein gewondt zu haben in seiner kindtheit. Ich weiß, daß er wie ein rechter philosoph mitt großer fermeté gestorben ist. Die ein gutt leben führen, ist es all eins, ob sie auff ein bett sterben oder niedergeschoßen werden. Ich mochte wißen, ob es der elste oder jüngste von den graff Güldenlowen ist, so in Ittallien erschoßen worden; ich kene beyde bruder. Ihr setzt da ein neü wordt, so ich mein leben noch nicht gehört hatte, nemblich wen Ihr sagt, liebe Amelisse: Er war ein großer despochant. Waß heist daß? Ist es desbauchirt, wie man zu meiner zeit sagte? Wens daß ist, so mag es woll der elste sein; den er war sehr desbauchirt, wie er hir war, auff allerhandt gattung. Er hatte einen hoffmeister, der hatt ihn mitt fleiß dazu ahngeleydt. Von welch hauß ist seine gemahlin? Weillen er so doll lebte, wirdt sie leicht zu [297] trösten sein; den ordinarie die desbauchirte männer leben gar übel mitt ihre weiber. Landaw wirdt leicht können genohmen werden, weillen man es nicht deffendirt. Wen man den wüsten Melac ein wenig den buben butzen mögte, were es mir gar nicht leydt; ich kan ihn nicht leyden, weillen er so gar barbarisch undt cruel ist. Wie man mir auß Lotheringen schreibt, so wirdt monsieur de Varene baldt loß werden. Er ist dem zu Berlin gar nicht verwandt; ich weiß deßen historie; den ma tante, die fraw churfürstin von Braunsweig, hatt mirs geschrieben, wie es geschehen; allein, unter unß gerett, ich glaube nicht, waß auch die herrn geistlichen sagen mögen, daß sein zweyter heüraht recht sein kan. Nettancour kene ich nicht, es seye den vielleicht madame de Lenoncour, meiner dochter dame d’atour,[1] bruder. Apropo von meiner dochter, sie flattirt sich, daß Ihr undt Louise auff den carnaval zu ihr kommen werdet; sie sagt, sie hette Eüch beyde dazu eingeladen. Wir haben gar nichts neües hir, alß daß eine abscheüliche conspiration ist gegen unßerm jungen könig in Spanien endtteckt worden, gott sey danck! Die Ittällienner seindt falsche undt schlime leütte, insonderheit die Napolitaner. Ich wolte, daß dießer gutte könig auß der Ittalliener handt weg were; ich trawe ihnen kein hahr. Gott bewahre daß arme kindt! Adieu, liebe Louisse! Ich kan Eüch vor dißmahl nichts mehr sagen, alß wie daß ich [Euch] allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Juli 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 296–297
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0175.html
Änderungsstand:
Tintenfass