Seitenbanner

Brief vom 8. April 1703

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


190.


[321]
Versaille, Ostertag den 8 April 1703.
Hertzliebe Amelisse, gestern habe ich in Louisse paquet Ewern lieben brieff entpfangen. Waß gehens unß die kriegstroublen ahn? Wir disputiren nicht gegen einander wegen der cron Spanien. Ewer man wirdt baldt wider zu Eüch kommen, wirdt Eüch aber hernach lenger witwen laßen. Es bedorffte keine außlegung, daß Ewer schwester Ewer man ist; den daß verstehe ich woll. Ihr thut gar woll, Eüch die zeit nicht lang zu laßen werden. Ich bin I. L. hertzog Christian woll verobligirt, daß I. L. so fleißig ahn mich gedencken; bitte, Ihr wollet ihn doch gar dinstlich davor dancken. Es ist nichts betrübters, alß gutte freünde weg zu ziehen sehen. Waß ist daß vor ein tittel der reichs-schuldtheis? Da habe ich [322] mein [leben] nicht von gehört undt weiß auch nicht, wer es ist. Ewer leben, wie ich sehe, ist nicht so solitaire, wie daß meine; den ich bringe ordinarie meine zeit gantz allein mitt leßen undt schreiben zu. Ihr soltet einen zelter nehmen undt zum churfürsten von Bayren reitten undt ihm sagen, daß ein braver ritter die freüllen beschützt undt ihnen kein leydt thut, wie die damen im Amadis; aber nein, raillerie apart, Ihr soltet ein brieff ernstlicher weiß ahn I. L. dem churfürsten schreiben, damitt er Eüch Ewer schloß nicht brenen möge. Wo habt Ihr den den churfürsten von Bayren gesehen? ist er zu Franckfort geweßen? Den Ihr seydt, wie ich glaube, nie zu München noch Brussel geweßen. Ich glaube leicht, daß dießes churfürstens freündlichkeit in allen ehren herr Johanes geweßen ist. Der leydige krieg macht alles übels. Ein gutter frieden were woll zu wünschen, es ist aber noch schlechter ahnstalt dazu. Ich bin fro, daß Eüch mein gekritzel nicht mißfehlt, ist mir alß bang, ich könne daß Teütsche nicht recht mehr. Ihr soltet woll die charitet haben, liebe Amelisse, daß, wen ich darinen fehlen solte, mich wider zu recht zu helffen undt corigiren. Ich habe jetzt niemandts mehr, mitt wem ich teütsch reden; mein Wendt hats gantz vergeßen. Ich leße fleißig in der luneburgische bibel, alle tag ein capittel auß dem alten testament, ein psalm undt ein capittel im neüem; daß erhelt mich noch, daß ich es nicht vergeße. Hirmitt ist Ewer liebes brieffgen vollig beantwortet; hernach werde ich ahn Louisse auch schreiben. Ich habe schon ahn ma tante undt ahn die königin in Spanien geschrieben, muß noch heütte, ehe wir zum nachteßen werden, 5 brieffe schreiben, werde Eüch also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt recht lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. April 1703 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 321–322
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0190.html
Änderungsstand:
Tintenfass