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Brief vom 17. Februar 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


204.


[340]
Versaille den 17 Februari 1704.
Hertzliebe Amelisse, ich habe schon vor 6 tagen Ewern lieben brieff vom 31 Januari entpfangen, aber mitt fleiß nicht eher, alß nun, beantwortet, weillen, wen ich eher, alß nun, geschrieben hette, mein brieff zu Luneville hette müßen liegen bleiben; wirdt also jetzt frischer überkommen. Die ursach, warumb ma tante nicht durch Eüch geantwortet hatt, ist, daß mein brieff, weillen er zu Luneville liegen blieben, alter ist worden, alß der, so über die Schweitz geht. Drumb schicke ich jetzt dießen zu rechter zeit, damitt ma tante sehen mag, daß die aber Franckfort noch geschwinder gehen; bitte Eüch, liebe Amelise, derowegen dießen beyliegenden brieff so baldt zu überschicken, alß möglich sein wirdt. Waß albere possen seindt doch daß, daß man zu Franckfort soubçoneus ist über waß Ihr mir schreibt? Vertrawen sie Eüch den alle stadtssachen, daß sie meinen, daß Ihr sie verrahten werdet? Sie mögen ja nur unßere brieffe sehen, so werden [sie] woll finden, daß man von keinen staadtssachen spricht; also mögen sie woll unßere brieffe lauffen laßen. Ich gestehe, daß ich offt verwunder bin, zu hören, wie es in Teütschlandt nun zugeht; alles muß in den 32 jahren, so ich hir bin, erschrecklich geendert sein. Mich wundert, da doch so viel leütte zu Franckfort sein, wie man sich nicht beßer dort in dem letzt verwichenen carnaval divertirt hatt. Zu Hannover macht man sich braff lustig. Gott gebe, daß es lange weren möge undt erhalte sie alle bey gutter gesundtheit! Ich bin woll Ewerer meinung, liebe Amellisse, daß man der divertissementen woll entberen kan, wen man nur seine zeit ohne verdruß undt ruhig passiren kan; allein in dießer weldt gehts nicht so gladt ab, der verdruß kompt undt findt sich offter undt eher, alß die freüde. Ihr würdet einen gutten prediger sein, liebe Amelisse! Den alles, waß Ihr da sagt, ist eben so gutt alß eine fastenpredig, undt da schlaff ich nicht bey, wie bey alle andere predigen hir; den man geht hir eine halbe stundt nach dem eßen in die predig, kan mich also ohnmöglich deß schlaffens enthalten, undt es ist keine eintzige [341] predig, wo ich nicht in schlaffe; heütte noch habe ich so geschlaffen, daß mir [der] kopff davon schwindelt. Hir findt man gar wenig weibsleütte, so nicht von natur coquet sein, undt ist es recht rar, wen man eine findt, so es nicht ist. Vor gott mag es woll schlim sein, aber vor der weldt ist es lustiger, daß ist gewiß. Die coquetten flattiren sich, weillen man in der heylligen schriefft findt, daß unßer herr Christus so viellen von ihren gattungen gnädig geweßen, daß er sich ihrer schwachheit auch erbarmen wirdt, alß nehmblich der Marie Magdelaine, der Samaritin, dem weib, so im ehebruch begriffen war; daß flatirte sie. Ihr meindt, Ihr würdet der coquetterie baldt müde werden; allein ich habe ahn viellen hören sagen, daß wer einmahl verliebt geweßen ist, kan sonst kein spaß mehr ohne den leyden undt daß mans nie müde wirdt. Wie ich sehe, so ist Ewer humor jalous, liebe Amelisse! Wolte Eüch also nicht rahten, coquet zu sein; Ihr müstet zu große qual außstehen. Der gutte Bernstein ist gantz wider getröst. Ich kene den hertzog von Saxsen-Meiningen woll. Er hatt sich eine zeitlang hir auffgehalten, er gefiel mir nicht, er war zu complimentisch. Ich muß heütte noch 4 brieff schreiben ahn dem könig undt die königin in Spanien, ahn mein dochter undt ahn die kleine Rotzenhaussen, damitt sie dießes paquet woll bestehlt. Es ist jetzt eine große freüdt in Lotheringen, daß mein dochter, gott seye lob undt danck, einen printzen bekommen; bin versichert, daß Ihr Eüch auch deßwegen mitt mir erfrewet. Adieu, liebe Amellisse! Seydt versichert, daß ich Eüch biß ahn mein endt wie auch Louisse recht lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Februar 1704 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 340–341
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0204.html
Änderungsstand:
Tintenfass