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Brief vom 29. Juni 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


211.


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Versaille den 29 Juni 1704.
Hertzliebe Amelise, ich habe Ewer lieben brieff schon vor 8 [349] tagen entpfangen; die post kam aber so spät ahn, daß ich ohnmöglich antwortten konte. Es were ohnnohtig geweßen, Eüch eher, alß heütte, zu schreiben; den mein brieff were nur zu Luneville liegen blieben. Der comandant von Landau, deßen gemahlin Ihr besucht, hatt große ehre eingelegt; man estimirt ihn sehr hir. Man spricht nun anderst, alß zu meiner zeit; den da hette man gemeint, ein fürsten zu offendiren, wen man ihm seine kriegschargen zum tittel gebe, wie ich sehe, daß Ihr dem margraffen von Baden thut. Wie ich sehe, so liebt Ihr die kinder eben nicht sonderlich, weillen es Eüch frembt vorkompt, daß die fraw margraffin von Baden Liebten so occupirt mitt den ihrigen ist. Ach, lieb Amelise, wen Ihr mich nur in Teütschlandt sehen wolt, werden wir einander woll unßer leben nicht mehr sehen; den auß dießem landt kan ich nicht weg, so ist mein verhengnuß. Man muß nie vor kein landt kein antipathie nehmen; den wir wißen nicht, wo unß gott der almachtige hin vorsehen hatt. Von der religion gebührt mir nicht zu reden. Ich bin nicht gelehrt genung zum predigen; ich lebe meines glaubens undt laß ein jeden den seinen leben. Ihr dorfft nicht forchten, mir scrupul zu geben; die nehme ich gar nicht. Lenor geht meinen undt nicht Ewern weg; liebe Amelise, wir werden woll beynahe ahn einem ort kommen. Wen wir die sach zu decidiren hetten, were es gutt, ernstlich zu sein; aber, liebe Amelisse, waß drauß werden wirdt, da wirdt man weder Eüch noch mich drumb fragen. Hirbey schicke ich Eüch eine andtwort vor die fraw von Bernstein. Lenor recomandirt sich Eüch auch gar schön undt ich bitte Eüch, die Bernsteinen von meinetwegen zu grüßen undt ihr sagen, daß ihr sohn, welchen ich hir habe, sich gar woll, redtlich undt ehrlich helt undt daß ich gar woll mitt ihm zufrieden bin. Grüst auch die Gret von meinetwegen! Ma tante hatt mir Louisse reiß geschrieben; sie meint aber, sie gehe ehe weg, Eüch wider zu sehen, alß wegen ihre gesundtheit. Nun ist Ewer schreiben vollig beantwortet. Ambrassirt Louisse von meinetwegen! Den ich glaube, daß Ihr nun besamen seydt. Adieu! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit recht lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Juni 1704 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 348–350
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0211.html
Änderungsstand:
Tintenfass