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Brief vom 28. Januar 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


225.


[367]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 28 Januar 1705.
Hertzliebe Amelise, es muß mir gangen sein wie monsieur Jourdain, so unwißendt prosse macht[1], wofern ich einen philosophischen brieff geschrieben habe. Madame de Bregie, so viel verstandt hatte undt vor 13 jahren gestorben, pflegte alß zu sagen: Nous vainquons ce qui est plus foible que nous, mais ce qu’il y a de plus fort, nous surmonte, undt sonsten, sagte sie, hete sie nichts gesehen, aber die eygenlieb macht die menschen glauben, sie hetten über affecten undt passionen triomphirt. Ich sehe woll, Ihr [wollet] gottes ahngesicht schawen, weillen Ihr so demütig seydt undt glauben woldt machen, daß Ihr viel schwachheytten habt. Über andere leütte zu lachen, ist offt sehr apropo; man gibts einem aber dichte wider. Weillen Ihr aber findt, daß alles in der welt außlachens wehrt ist, ist Ewere philosophie von Democritte secte. Ich bin woll Ewerer meinung, liebe Amelise, daß alles, waß zu gottes ehre geschehen soll, serieux muß sein; aber alles in der weldt ist zu gottes ehere, auff unßer weiß zu reden; den nach der gottheit zu nehmen, so kan man gott nicht ehren; den die menschen seindt zu schwach undt gering gegen gott, umb ihn ehrn zu können; aber nach unßere art zu reden, müßen wir unßerm herrgott woll menschentugendten geben. Also kan man sagen, daß alles, guttes undt bößes, zu gottes ehre gereicht; den wie er die bößen strafft, so gegen ihm sündigen, darauß enstehet seine gerechtigkeit; waß gutts geschicht, kompt von ihm undt erweist seine gütte; also geschicht nichts, alß zur ehre gottes. Wer kan mitt lust lachen, thut woll, zu lachen; aber es muß nicht gezwungen sein, sonst stehts übel. Waß Ihr vom carnaval cittirt, habe ich geleßen; ich wuste aber [368] nicht mehr, wo ich es geleßen hatte; den ich habe gar ein schlecht gedächtnuß. Hir were man nicht so difficille undt die cavalier trünken so woll mitt der cammermagt, alß ihrem freüllen, wen sie nur coquet ist. Sauffen haben sie auch gern; aber die warheit zu bekenen, so seindt es nicht mägte, so sich hir voll sauffen, sondern leütte von gar großer qualitet. Daß zigen undt zehren ist all zimblich der masquen art, drumb habe ich dießen spaß nie sonderlich geliebt. Mich deücht, daß madame de Bellemont in einem alter ist, worinen sie die masqueraden woll entberen könte. Mitt dem heüraht habe ich gehört, hette oncle Rupert sie betrogen; da hatt er nicht woll ahn gethan, solle einen camerdiner wie einen pfarher gekleydt haben undt sie so geheüraht haben. Sie war gar jung, wie sie so ahngeführt worden; oncle Rupert logirte in ihres vatters hauß. Engländer haben mirs so verzehlt; aber die zeit kompt, daß ich in die mußiq muß; werde also vor dißmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Amelise, allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Januar 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 367–368
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0225.html
Änderungsstand:
Tintenfass