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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hanover.
Versaille den 26 Mertz 1705.
Hertzliebe Louise, wen Ihr die ursach wißen wolt, warumb ich
Eüch vergangen sontag nicht auff Ewern lieben brieff vom 10, so
ich selbigen tag entpfangen, geantwortet habe, so lest den
ahnfang von Amelise brieff! so werdet Ihr es erfahren. Gott dem
allmächtigen seye lob undt danck, ma tante in dero unglück so
beygestanden zu sein undt I. L. wider zu dero gesundtheit geholffen
zu haben, wobey er I. L. lange jahre erhalten möge! Ich gestehe,
ich bin nun ruhiger, nun ich weiß, daß alle die betrübte undt
trawerige objetten einmahl weg sein. Ich weiß nicht, wer bedacht
hatt, dieße gelehrte mäner zu ma tante zu führen, unterdeßen daß
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die trawerige ceremonie vorgangen; allein es war recht woll
bedacht. Ihr habt daß gröste recht von der weldt, keinen adtlichen
zu cediren wollen. Mich deücht, zu meiner zeit wahren die rangs
beßer reglirt, undt da dachte keine adliche dame den
reichsgräffinen zu disputtiren. Seyder wan ist dan dieße mode gekommen?
Ihr seydt ja dem churfürsten von Braunsweig nahe genung
verwandt, umb Eüch zu souteniren, wobey er selbsten gewinen würde;
den es gibt ihm selbsten mehr respect. Wir haben nichts neües
hir, alß viel tragiquen avanturen, so ich alle ahn ma tante
schreibe, I. L. dadurch zu amussiren undt ahn waß anderst, alß dero
betrübtnuß, gedencken zu machen. Der prince de Maubeck, der
printzes d’Harcour sohn, den Ihr zu Franckfort unter den
gefangenen gesehen, ist dieße nacht auff einmahl todtkranck worden; man
meint, er wirdt die kinderblattern bekommen, welches seinem
näßgen nicht schönner stehen wirdt. Man hort im überigen nichts, alß
von schleünige todtsfäll; die leütte gehen frisch undt gesundt zu
bett, andern tag findt man sie todt. So lang ich mich nicht in
dießer reye befinden werde, könt Ihr, liebe Louise, versichert sein,
daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.