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Brief vom 23. Mai 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


249.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Paris.[1]

Versaille den 23 May 1705.
Hertzliebe Amelise, ehe ich von Marly weg bin, habe ich Ewern lieben brieff vom 15 dießes monts entpfangen, will gleich drauff antwortten; den morgen werde ich so viel zu schreiben haben, daß ich nicht weiß, ob ich zeit würde finden können, Ewern lieben brieff zu beantwortten; derowegen werde ich es dießen abendt thun. Ich hoffe, daß der starcke schnupen, so Ihr gehabt, Eüch eine größere kranckheit verhütten wirdt; den daß nimbt viel übels weg. Ich meinte, man singe zu Hannover nur noch alß die alten geistliche lieder, so in dem hannoverischen gesangbuch sein undt deren ich noch viel weiß. Ich admirire, wie Ihr eine predig ohne schlaffen hören könt; daß were mir durchauß ohnmöglich. Ich glaube undt zweyffle nicht, daß ich eine seele habe; allein ich weiß nicht, wen sie lustig oder trawerig ist, aber müht von der welt sein, daß weiß ich gar perfect, aber ich wünschte eben nicht, zu sterben, sondern nur, daß man, waß übels in der welt ist, endern möge. Wen unßer könig deß keyßers kranckheit hette, solte ihm billig bang sein; aber der keyßer hatte daß pottagram nicht undt der könig keinen stein, also nichts zu fürchten. Unßer könig ist zwey jahr älter, alß der keyßer ist. Die itzige keyßerin [398] habe ich recht lieb; bin fro, daß sie Eüch auch gutt ist. Ach, ich wolte lieber, daß I. G. meines herr vatters bludt in der Pfaltz noch regieren könte; aber ich gönte es doch ma tante woll, königin zu sein; den sie es mehr, alß niemandts in der weldt, meritirt. Allein ich habe doch ein interesse, so den wünsch, ma tante königin zu sehen, balancirt; ich fürcht, man würde mir alßden nicht mehr erlauben, brieff mitt I. L. zu wexlen, undt daß ist mein gröster, undt kan mitt warheit sagen, eintzige trost undt freüde in dießer weldt. Daß die jetzige keyßerin großen verstandt hatt, daß ist gar gewiß. Ich habe gehört, der itzige keyßer schläfft nicht mehr bey seiner gemahlin; so kan sie ja keinen sohn bekommen. Offt geschichts, daß die so gar desbauchirte männer wenig kinder bekommen. Ein docktor hir sagte einmahl, alß man ihn fragte, warumb der königin ihre kinder nicht gesundt weren, wie gemeine kinder, andtwortete er: C’est que le roy n’aporte que la rinsure de ces veres a la reine. So mögte mitt dem römischen könig auch woll gehen. Es ist nichts heimbliches, daß der itzige keyßer galant a outtrance ist; die gantze weldt redt davon, aber Ihr könt woll sicher sein, daß ich nicht sagen werde, daß Ihr, liebe Amelisse, davon gesprochen habt. Ich sehe nicht, waß zu lachen, daß eine printzes hofflich war undt viel reverentzen machte. Man ist genung ahn denen gerochen, so so mal apropo lachen, indem sie ihre impertinentz vollig erweißen undt also sich selber ridiculler machen, alß die, so sie außlachen wollen. Freylich finde ich, daß die römische königin meritirt, keyßerin zu sein. Daß ist auch war, liebe Amelisse, daß ich der keyßerin fraw mutter, unßer hertzogin, kein rast noch ruhe gelaßen habe, biß ich sie von hir weg gebracht habe; den es war mir alß vor, daß es ihr glück sein würde. Wie Ihr Eüch verhalt, liebe Amelisse, kan nichts raisonablers sein. Daß sprichwort: Traw! schaw, wem! ist nur gar zu nöhtig; aber waß gantz ohnnohtig war, ist Ewer compliment, so Ihr mir macht. Vertrawen zu einem zu haben, ist gar zu obligent, alß daß man hernach eine entschuldigung drüber machen solte. Also last Eüchs nicht gerewen, diß compliment nicht eher gemacht zu haben! Hiemitt ist Ewer briff, liebe Louisse, völlig beantwort undt werde nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louisse, von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. Mai 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 397–399
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0249.html
Änderungsstand:
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