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Brief vom 6. August 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


261.


[408]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hanover.

Marly den 6 Augusti 1705.
Hertzliebe Amelise, ich werde Eüch nicht sagen, warumb ich vergangen sontag nicht auff Ewern lieben brieff vom 13 Julli, so ich vergangenen sambstag entpfangen, geantwortet habe; den ich habe es Eüch offt widerhollet. Trianon ist gantz nahe, nur ein stuckschuß weit von Versaille; da ist der schönste gartten, so in der weldt mag gesehen werden. Mich wundert, daß Ihr nichts davon gehört; den niemandts ist jemahlen zu Versaille geweßen, ohne Trianon zu sehen. Worumb solte Ihr mir nicht fragen, waß Ihr gern wißen wolt? Daß ist ja nirgendts verbotten; zudem so bin [ich] nicht so poinctillieuse, etwaß übel von Eüch, lieb Amelis, zu nehmen; aber waß ich übel nehmen kan, were, wen Ihr, wie jetzt, mir ohnnöhtige complimenten macht. Wen Ihr die hitze zu Hannover hettet undt den erschrecklichen staub, würdet Ihr daß hin- undt widerfahren nicht so ahngenehm finden. Ich fuhr gestern nach St Germain, die königliche personnen dort zu besuchen. Wie ich wider kam, must ich von hembt undt kleyder undt lappen endern undt daß gesicht waschen; den ich war, alß wen man mich ein graw masque ahngethan hette. Ein schiffman hatt mir gesagt, daß es in Indien nicht warmer ist, alß nun hir. Es ist lenger, alß 2 mont, daß es nicht geregnet hatt; die blatter von den bäumen wie gesengt von der hitze, es ist etwaß unaußsprechliches. Seyder ich da schreibe, bin ich schon 4 mahl interompirt worden durch vissitten. Ich bin fro, daß hertzog Jorg Wilhelm zu ma tante kompt; den ist I. L. eine gutte undt ahngenehme geselschafft, die I. L. doch verhindern wirdt, ahn trawerige sachen zu gedencken. Viel frantzösche weiber seindt auff einem schlag, insonderheit die, so [409] coquet undt desbauchirt geweßen. So baldt sie alt genung werden, keine amants mehr zu haben, werden sie devot, oder auff wenigst stellen sich, alß wen sie es wehren; alßden aber werden sie ordinarie gar gefahrlich; den sie werden neydig undt konnen niemandts mehr leyden. Es ist viel, daß die hertzogin von Zel nicht stoltz ist; den ordinarie wen sich leütte in posten finden, die ihnen nicht zukompt, wißen sie vor hoffart nicht, wie sie sich stellen sollen. Ihr müst mir so baldt moglich ein memoire schicken, wo der junge herr von Degenfelt gefangen worden undt wo er nun ist; sonsten kan ich ihm unmoglich helffen. Aber so baldt ich wißen werde, wo er gefangen worden undt wo er sich auffhelt, will ich fleißig vor ihm solicittiren, undt Ihr kont die fraw von Degenfelt versichern, daß ich mein bests vor ihm thun werde, ihn loß zu bekommen. Sie hatt recht, zu treiben, daß er auß Franckreich kompt; denn schönne buben leyden mehr gefahr hir, alß schonne metger. Adieu! Ich habe mich von kopff zu füßen anderst ahngezogen. Die hitze ist so erschrecklich, daß man schwitz wie in einen brencolben. Es ist lang, daß ich in der welt, aber solch eine hitze habe ich mein leben nicht entpfunden. Wen es noch lang so wehrt, müßen menschen undt vieh vergehen. Adieu, liebe Amelisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. August 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 408–409
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0261.html
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