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Brief vom 5. November 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


275.


[420]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 5 November 1705.
Hertzliebe Louise, Ihr wist all lengst die ursach, warumb ich Eüch nicht sontags schreiben kan, werde es also nicht widerhollen. Ich meinte, der margraff von Anspach würde umb die printzes von Hannover ahngehalten haben; ich wünschte sie aber lieber dem könig in Schweden. Worumb will die churprintzes nicht glauben, daß ihr herr bruder die princes von Darmstat heürahten wirdt? Der printzessinen heüraht wirdt selten auß liebe geschehen, sondern nur durch raison, undt dazu thut schönheit nichts; tugendt undt verstandt seindt gutt genung dazu. Daß werdt lenger, alß die schönheit, welche vergänglich ist undt baldt verschliest, wie wir noch neülich ahn die schönne Moscowittin gesehen, so nun zu Paris ist. In Saxsen, habe ich gehört, seindt noch gar schönne printzessinen. Ich weiß, wie die curprintzes ein pressent von ihrer groß schwiger fraw mutter bekommen hatt. Es ist war, liebe Louisse, daß ma tante mir kein wordt von ihrem fall geschriben; weillen sie aber den von Clef so woll überstanden undt der kopff nicht blessirt worden, hoffe undt wünsche ich, daß es keine böße nachfolg haben wirdt; bitte aber, liebe Louise, mir doch fleißig I. L. zustandt zu berichten. Vor daß sie erschrocken mögen sein, ist mir nicht [bang]. Ich kene ma tante, sie hatt hertz wie ein manschmensch[1], so courage hatt; nichts erschreckt sie leicht. Ich habe sie einmahl zu Klopenburg auß einem brandt im nachtsrock salviren sehen, da die flam schon alle seytten in die cammer schlug; sie wahren grob schwanger undt erschracken gar nicht, lachten nur. Noch ein ander mahl hatten wir neue pferdt ahn einer calesch, die gingen mitt unß durch undt rederten den kutscher; oncle sprang von der calesch undt hilt die pferdt, ma tante war auch damahlen nicht erschrocken, ob schon große gefahr vorhanden; bin also sicher, daß der fall I. L. gar nicht erschreckt. Aber wie dießer fall doch eine commotion verursachen können, hetten I. L. nicht übel gethan, ein par tag falltranck zu trincken, weillen sie waß im rücken gefühlt. Der serein ist in Teütschlandt nicht gefährlich, wie [421] hir im landt, zu dem so ist es ma tante gewohnt undt die gewohnheit thut viel bey solchen sachen. Ich habe nicht gern vernohmen, daß der königin in Preussen freüllen wider zu Hannover sein; den daß gibt ma tante, der fraw churfürstin, gar zu betrübte erinnerungen. Es wundert mich nicht, daß daß freüllen Schwartz krank auß betrübtnuß geworden, daß ihre schwester gantz raßendt worden; nichts ist betrübter in der welt undt ärger, alß wen sie gestorben were. Ey, liebe Louisse, glaubt nicht, allemahl die, so viel von devotion undt gotsfurcht sprechen, seindt die devotesten! In itzigen zeitten dint es offt nur zu einem deckmantel, viel boßheitten zu verbergen, undt wie ich Eüch sehe, würdet Ihr hir im landt offt betrogen werden. Von devotion reden ist nicht nöhtig, wen man nur christlich lebt. Zu dem so ist die wahre devotion eine gnade von gott, die er nicht alle menschen gibt; man muß also die mehr beklagen, alß condemniren, so es nicht haben. Auch kan man gar woll devot sein undt nicht serieux von seine devotion sprechen; die wahre devotion sicht man auß den christlichen wercken mehr, alß auß den wortten. Die freüllen Schwartz, so so betrübt über ihrer schwester unglück ist, solte suchen, sich von ihrer betrübtnuß zu distrairen, damitt es ihr nicht wie ihrer schwester gehen mag. Ich erinere mich deß barons von Heberstein nicht mehr. Mich deücht, Carl Edewart kam alß gantz allein zu [mir] undt zu meinen kindern, mitt welchen er den gantzen tag spilte. Adieu, liebe Louisse! Seindt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. November 1705 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 420–421
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0275.html
Änderungsstand:
Tintenfass