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Brief vom 26. November 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


278.


[423]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 26 November 1705.
Hertzliebe Louise, weillen ich so woll weiß, daß ma tante nichts erschrickt, also habe ich woll gleich gehofft, da ich erfahren, daß der kopff nicht auffs pflaster gerührt hatte, daß es, ob gott will, woll ablauffen würde undt keine gefahr. Gott seye ewig danck, daß ich nicht in meiner hoffnung bin betrogen worden! I. L. seindt der lufft so gewohnt, daß ihnen die nie wirdt schaden können; contrarie, daß dint zur gesundtheit, braff zu spatziren. Waß man mitt großen apetit ist, schadt selten. Ma tante hatte groß recht, Eüch wider zurück zu schicken; den zu einem steyffen ha[l]ß ist der kalte windt schadtlich. Monsieur Benise undt Galli seindt nicht von meiner zeit bey ma tante, kene sie nicht; aber ich bin alß fro, wen gutten leütten waß guts geschicht. Freüllen Pelnitz, wie Ihr mir sie beschreibt, muß viel vivacitet haben. Wen dieß freüllen nicht devotion genung hette, umb seelig zu werden, were sie zu beklagen. Aber ich sehe nicht, daß man sie destoweniger lieben solte; den daß ist ja ihre sache undt die unßerige gar nicht. Unßere sach ist, daß die, wo man mitt umbzugehen hatt, weder [424] falsch noch untrew sein. Man spricht offt gegen waß, umb es beßer zu erfahrn; aber glaubt mir, liebe Louisse! denen ist nicht ahm besten zu trawen, so so offt von der devotion sprechen; den devotion ist ein gefahrlicher deckmantel, ich werde es hir täglich gewahr. Ich gestehe, daß es beßer were, daß man allezeit mitt respect von der christlichen religion spreche, aber die seindt die schlimbsten nicht, so vexiren; die ärgsten seindt die heüchler undt hypocritten. Unter dießen vorwandt geschicht ahm meisten übels; die verzeyen nie, seindt inplacable feinde undt in dem vorwandt, daß sie ihre negsten corigiren wollen, declariren sie alle medissancen undt halten sie vor war. Die wahre devotion bestehet, glaube ich, in gott lieben undt charitet vor den negsten haben. Gott aber lieben ist über unßer vermögen, weillen wir eine zu verderbte natur haben, undt können allein gott lieben durch seine gnadt; also glaube ich, daß man die nicht blasmiren solle, so gott dieße gnadt nicht geben, sondern viel mehr mittleyden mitt ihnen haben, umb auff wenigst den zweyten punckten zu exerciren, nehmblich die charitet. Ich bin gantz Ewere meinung, liebe Louisse, daß monsieur Brauns unrecht hatt undt nicht ehrlich gethan, daß arme freüllen Schwartz in einen so gar ellenden standt zu setzen; es wirdt unglück bringen. Adieu, liebe Louisse! Ich behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. November 1705 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 423–424
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0278.html
Änderungsstand:
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