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Brief vom 26. November 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


279.


[424]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hanover.

Versaille den 26 November 1705.
Hertzliebe Amelise, vergangen sambstag habe ich Ewer schreiben zu recht entpfangen, aber wie Ihr woll wist, so kan ich nie alß donnerstags antwortten, weillen ich den sontag alß gar zu viel zu schreiben habe. Es passirt hir nicht viel mehr neües, alß zu Hannover, undt mein leben haben ich dießen hoff [nicht] stiller gesehen, alß er nun ist. Ob Ihr mir zwar nichts neües schreibt, seindt mir Ewere schreiben doch ahngenehm; den wen ich vernehme, [425] daß es Eüch woll geht undt gesundt seydt undt mich noch lieb habt, bin ich schon zufrieden. Ich muß lachen, daß Ihr Eüch in meine protection recomandirt. Daß ist eine schlegte sach undt ich bin, wie man hir im sprichwort sagt, de ces saints qui ne guerissent de rien, undt die nichts, alß bloße wünsche, vor die thun kan, da sie sich vor interessiren. Dieße gantze woche, umb vom wetter zu reden, ist es warm undt feücht geweßen; nun heütte hatt es gehagelt undt gereifft undt scheindt, alß wens friren wolte. Daß die Killmanseck verstandt hatt, habe ich woll auß ihren brieffen gesehen. Wie man mir aber die freüllen Pelnitz beschreibt, hatt dieße noch mehr vivacitet, alß die erste. Es seindt wenig leütte gantz ohne religion, aber ein jeder hatt die seine auff seinen schlag undt wie er glauben oder begreiffen kan. Unßer herrgott lest alle menschen mitt so unterschiedtlichen humoren geboren werden, daß es ohnmöglich ist, daß eines wie das ander dencken kan. Dem er eine pure devotion ohne heücheley verleyet, daß halte ich vor gnaden gottes, so über deß menschen macht gehen; den es steht nicht bey unß, zu thun, was wir wolten, oder solten, sondern nur denen gott die gnade gibt; daß wünschen stehet nur bey unß. Aber, liebe Amelisse, ich kan mich nicht genung verwundern, daß Ihr undt Louisse so chocquirt seydt, wen jemandts vexirt undt sich nicht devot stelt. Unßer hoff zu Heydelberg muß sehr nach meinem abzug verendert sein; den unßer papa s. hatt ja allezeit vexirt mitt allen religionen, nur in schertz, umb sich zu divertiren, wie unßere liebe churfürstin auch thut. Ich bilde mir ein, daß freüllen Pelnitz bey hoff logirt alß domestique von der s. königin in Preüssen. Von hir kan ich nichts neües sagen; den Ihr kendt die leütte [nicht]. Wir haben jetzt schlegte lufft hir. Es sterben unerhört viel leütte ahn den kinderblattern undt fleckfieber, welches ordinarie zusamen kompt undt die leütte in jene weldt führt. Daß ist alles, so ich vor dießmahl sagen werde undt daß ich Eüch allezeit recht lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. November 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 424–426
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0279.html
Änderungsstand:
Tintenfass