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Brief vom 3. Dezember 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


280.


[426]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Paris.[1]

Versaille den 3 December 1705.
Hertzliebe Amelisse, vergangen sambstag habe ich Ewer schreiben vom 19 November zu recht entpfangen, aber wie Ihr woll wist, so kan ich ohnmöglich gleich sontags drauff andtwortten. Sagt man jetzt in Teütschlandt ein bar tagen? Zu meiner zeit sagte man ein par tagen. Ich bin Eüch sehr verobligirt, vor meine gesundtheit zu sorgen. Ich bin, gott lob, gar nicht krancklich undt glaube, daß ich meine gesundtheit erhalte, weillen ich nie nichts brauche undt weder durch precaution aderlaße noch purgire, wie andere thun, so nicht gesunder sein, alß ich. Ich halte, daß nun, da die churprintzes wider beßer undt daß wetter so gar abscheüllich ist, daß der hoff nun woll wider zu Hannover sein wirdt. Wo seydt Ihr undt Louisse den gestocken, daß Ihr die weldt so wenig kendt? Mich deücht, man bedarff eben nicht lang ahn hoff sein, ohne sie baldt zu kenen; aber wer alle die haßen woldt, so die junge kerls lieben, würde hir kein 6 menschen lieben können oder auffs wenigst nicht haßen. Es seindt deren allerhandt gattungen; es seindt, die die weiber wie den todt haßen undt nichts alß mansleütte lieben können; andere lieben mäner undt weiber, von denen ist mylord Raby; andere lieben nur kinder von 10, 11 jahren, andere junge kerls von 17 biß 25 jahren undt deren seindt ahm meisten; andere desbauchirten sein, so weder mäner noch weiber lieben undt sich allein divertiren, deren ist die menge nicht so groß, alß der andern. Es seindt auch, so mitt allerhandt desbauchiren, vieh undt menschen, waß ihnen vorkompt. Ich kene einen menschen hir, so sich berümbt hatt, mitt alles zu thun gehabt haben, biß auff krotten; seyder ich es weiß, kan ich den kerl ohne abscheü nicht ahnsehen. Er war in meines herrn s. dinsten undt ein rechter boßer mensch, hatte gar keinen verstandt. Da segt Ihr, liebe Amelisse, daß die weldt noch schlimmer ist, alß Ihr nie gemeint habt. Ich muß über der freüllen Pelnitz einfal doch lachen; den hir seindt wir zu sehr ahn solche sachen zu hören gewont, umb drüber zu erschrecken; man lacht nur über solche sachen hir, wie man ordinarie lacht, [427] wen man von etwaß eckelhafftigs spricht. Ich habe von hertzen gelacht, daß Ihr, liebe Amelisse, sagt, daß Ihr noch lieber heürahten wolt, alß sonsten waß begehen. Nach gottes gesetzt ist es freylich viel beßer, allein menschlich davon zu gedencken, wie viel andere thun, so gibt der heüraht mehr ambaras; den es ist vor sein leben, daß man sich heüraht, die coquetten aber, wen sie einen müht sein, so nehmen sie einen andern, daß ist ihnen leichter. Aber wer die tugendt im hertzen hatt, wie Ihr, liebe Amelisse, kan daß übel nicht begreiffen, welches eine gnade gottes ist. Adieu! Ich behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Dezember 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 426–427
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0280.html
Änderungsstand:
Tintenfass