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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 4 Mertz 1706.
Hertzliebe Amelise, vergangenen sambstag habe ich Ewer liebes
schreiben vom 19 Februar zu recht entpfangen, aber wegen deß
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sontage vielle schreiben, wie schon offt gemelt, nicht andtwortten
können. Ma tante, die fraw churfürstin, hatt mir auch
geschrieben, wie der königen Anne von Engellandt geburtstag ist celebrirt
worden. Ich kan nicht begreiffen, waß gala heist; den es ist kein
teütsch wordt. Ich kan nicht errahten, warumb der churfürst von
Braunsweig nicht bey dem fest geweßen. Ma tante findt die
freüllen von Degenfelt schon, welches leicht zu glauben; sie seindt von
schonner race. Tantzt man gar nicht mehr teütsche dantz in
Teütschlandt, daß man jetzt drüber lacht? Ich finde keine thorheit
im lustig machen; den daß ist gesundt. Die thorheit ist in
trawerig sein; den daß macht krank undt ist zu nichts nutz. Mein fuß
ist noch nicht recht heyll, lest sich noch fühlen. Ich liebe daß
frantzosche dantzen gar nicht; ein ewig menuet ist mir unleydtlich,
habe also mein carnaval zugebracht wie den carfreytag, mitt
schreiben, leßen undt corbmachen. Commedien aber sehe ich gern,
dern habe ich kein eintzige verfehlt; etliche wahren gutt, ander
schlim. Man hört von nichts, alß plötzliche tödt. Vergangen
sontag sprach ich umb 4 abendts mitt einem man, so deß
haußschneyders oncle war; montag abendts fundt man ihn todt im garten. Ein
cammerknecht von hertzog von Bourgogne geht auß seiner cammer,
wirdt gleich von schlag gerührt. Ahn allen enden hört man von
geschwinde todtsfall. Biß die reye ahn mir kompt, werde ich Eüch,
liebe Amelise, von hertzen lieb behalten.