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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 11 Mertz 1706.
Hertzliebe Louise, vergangenen sambstag habe ich Ewern lieben
brieff vom 23 Februar sambt dem von Amilise von 26 zugleich
entpfangen. Die posten gehen nun gar doll undt seindt gar nicht
eingericht; daß beste ist doch, daß keine brieffe verlohren werden.
Gott seye danck, daß unßere liebe churfürstin den carnaval so woll
außgestanden, undt gebe ihr noch manche so I. L. erfrewen möge!
Ich hoffe, daß sie bey dem jetzigen so gar schönnen wetter wider
zunehmen werden. Madame hatt woll groß recht, deß churprintzen
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extravagansen nicht zu hertzen zu ziehen. Daß marquisisch
frantzösch geblüdt lest sich in ihm spüren, daß, wen er woll thet,
greülich verhehlen solte; den es gibt ihm gar keine eher. Man
thut dem printzen daß groste unrecht von der welt, ihm seine
sotissen zu verbergen undt es seinem herrn vatter nicht zu sagen;
den er ist noch jung genung, corigirt zu werden, undt bleibt er,
wie er ist, wirdt er kein lob erwerben. Brutalitet steht jederman
übel, aber großen herrn noch mehr. Sein herr vatter solte sich
selber informiren, ob er mitt seiner groß fraw mutter lebt, wie er
solle, undt ihm solches expresse einbringen; den der churprintz
thut sich selber tord, wo er nicht den grosten respect vor ma tante
hatt. Die princes hatt vielleicht den verstandt, exempel ahn ihrem
herrn bruder zu nehmen undt sich dadurch zu corigiren. Ich glaube
nicht, daß signeur Ortance seine Lissette lieber hatt, alß ich meine
hündtger. Mein fuß ist noch nicht wider gantz heyll, doch viell
beßer. Ich habe aber einen abscheülichen husten, so mir komen,
weillen ich eine wattedecke abgethan undt im schlaff gar kalt
bekommen. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch
recht lieb behalte!