[448]
Versaille, mitwog den 17 Mertz 1706.
Hertzliebe Amelisse, Ihr werdet von Louise vernehmen können,
worumb ich Eüch heütte ein tag eher schreibe, alß ordinari;
drumb widerholle ich es nicht. Mitt meinem fuß gehet es nun
zimblich woll, gott lob! Ihr habt recht, Le grondeur monsieur
Grichart
[1] artig zu finden; den er ist es in der that. Umb gutt zu sein,
muß es aber woll gespilt werden. Daß original von dießem stück
war ein docktor, so monsieur Lebel hieße undt welchen ich vor
dießem gehabt habe. Ewer schwager ist gritlich, daß es war recht
incompatible. Es ist kein marquis, sondern ein conte de, der nun
zu Hannover ist. Ich kene ihn woll undt alle seine verwanten, so
er hir hatt. Seines brudern gemahlin ist erst kurtzlich gestorben,
war deß duc de Rohans dochter. Die gräffin von Furstenberg, seine
fraw mutter, wondt auff ihre gütter, so sie hir hatt. Sie hatt nun
[449]
keine galanterie mehr, [ist] aber sehr galandt geweßen. Ich glaube,
es were ihr schwer, ihrer kinder vätter zu nehnen. Der elste
gleicht viel mehr ahm cardinal, alß der jüngste graff, so nun zu
Hannover. Seinen humor kene ich nicht, kene viel mehr seine zwey
älste brüder, deren einer todt ist; hatte einen dollen heüraht
gethan, ehe er gestorben. Daß der jüngst einen duel gehabt undt
deßwegen auß dem landt gemüst, daß ist war. Ich glaube, daß
mein sohn der einig junge mensch in der weldt ist, dem sein eygen
haar übel stehet; man kan ihn nicht mitt leyden. Nachdem die
gesichter sein, stehet die peruque woll oder übel; aber ordinarie
gehts, wie Ihr, liebe Amelise, gar recht sagt, daß sie die alten
leütte jünger undt junge leütte älter macht. Adieu, liebe Amelisse!
Diß ist der 6te brieff, den ich heütte schreibe; die handt ist mir
müde, sage derowegen nichts mehr, alß daß ich Eüch von hertzen
lieb behalte.