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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 31 Mertz 1706.
Hertzliebe Amelise, ich muß heütte abendt auff Ewern lieben
brieff andtwortten; morgen kan ich ohnmoglich, wir müßen zu lang
in der kirch sein. Waß die comedien ahnbelangt, so spilt man sie
bey hoff undt zu Paris biß in der wochen vor der heylligen; alß
zum exempel vor 8 tagen haben alle comedien undt spectacle
auffgehört, fangen zu Paris den montag nach Quasimodo wider ahn,
aber bey hoff erst zu Fontainebleau im herbst. Seyder ich so gar
dick geworden, sehe ich lieber comedien, alß daß ich spatziren
gehe; wen man so schwer undt alt wirdt, wirdt man faull. Ich
wünsche, daß hertzog Anthon Ulrich sich woll genung befinden mag,
umb nach Hannover zu kommen können, undt daß ma tante mitt
gesundtheit nach Wolffenbüdel wirdt. Mich deücht, daß die
starcken husten weniger dauern, alß die kleine; die experientz habe
ich bey mir selber. Ihr segt durch meine 2 brieff, daß ich fleißig
andtworte. Mein husten ist lengst weg; mein fuß wirdt beßer,
seyder ich mehr gehe. Ich halte die fasten nicht, ich kan die fisch
nicht vertragen. Wer sonst mortification haben will, kan genung
hir finden, ohne sie zu suchen. Ich admire Ewere forsichtigkeit
undt prüdentz; den es ist leichter, gar zu schweygen, alß vorsichtig
zu sprechen. Hirmitt ist Ewer schreiben beantwortet. Adieu, liebe
Amelise! Seydt versichert, daß ich Eüch lieb behalte!