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Brief vom 22. April 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


308.


[456]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 22 April 1706.
Hertzliebe Louisse, die posten gehen so unrichtig, daß ich nicht habe verspüren können, ob Ihr mir die fest über geschrieben habt oder nicht; den hettet Ihr mirs nicht selber gesagt, würde [457] ich es auß obgemelter ursach nicht gespürt haben. Wen man hir jemandts schaden will, ist es nicht genung, nichts in den briffen zu finden, man legt einem seine eygene worter anderst auß undt macht doll commantaire; den lügen kost hir nichts. Von mylord Lincoln haben wir genung gesprochen. Die historie von deß herrn von Degenfelts camerdinner Harsch ist bößirlich. Daß erinert mich, waß meinem sohn einmahl begegenet ist. Es geht ihm, wie allen Frantzoßen, so nie recht teütsch lehrnen. Ich hatte ihm einen teütschen sprachmeister geben laßen. Nachdem er 4 gantzer jahr gelehrnt, sagt ich zu meinem sohn: Umb eine sprach zu lehrnen, so muß man sprechen; drumb redt etlichmahl mitt mir! Einsmahl waren wir in der gallerie. Ich weiß nicht, waß wunderliches dort vorging, so wolte mein sohn daß teütsche sprichwort cittiren Art lest nicht von art, kompt mitt ein amphase daher undt prononcirt wie eine sententz: Arsch lest nicht von arsch. Ich erschrack, meinte, er wolte mir etwaß wüst sagen. Ich rieff: Bub, schweig still! examinirte, waß er sagen wolte; meinte in der that, wie es dan hir gar gemein ist, er hette etwaß abscheüliches gesehen. Nachdem er mir aber in frantzösch explicirt, waß er hette sagen wollen, lernt ich ihm den unterschiedt. Er wolte sich kranck lachen, sagte aber doch, er sehe woll, daß er daß Teütsch nicht lehrnen könte; hatt es auch gantz negligirt seyder dem. Wo ist der alte herr von Degenfelt nun? Ich bitte, wen Ihr ihn schreibt, so grüst ihn doch von meinetwegen! Er muß nun auch nicht jung mehr sein. Carllutz s. hatt mir dolle historger von der madame Bar verzehlt, wie sie noch hofffreüllen war. Graff de Lamarck, so Ihr zu Hannover gesehen, da ist wenig besunders ahn; sein elster bruder aber ist fein undt ein ehrlicher man. Hirmitt ist Ewer schreiben vollig beantwort; werde noch vor der jagt ein par wort ahn Amellisse schreiben, nachdem ich Eüch werde versichert haben, daß ich Eüch von hertzen lieb habe, lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. April 1706 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 456–457
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0308.html
Änderungsstand:
Tintenfass