Seitenbanner

Brief vom 29. April 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


309.


[457]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 29 April 1706.
Hertzliebe Amelise, es geschicht wenig gar artiges in dießen [458] zeitten; wer nicht schreiben wolte, biß man etwaß gar artiges fünde, müste lang ohne schreiben sein. Der nahm von Hosiander ist mir gar nicht unbekandt, ich erinere mich aber der person gar nicht mehr; man sicht so viel leütte, daß man sie nicht behalten kan. Mich deücht, daß ohne böß sein thut man nichts a lombre, alß zancken, undt mein leben habe ich diß spiel nicht ohne zanck spillen sehen. Die böße spieller können nicht woll leyden, daß man lacht. Ich bin so ungeschickt undt habe lombre nie recht lernen können; ich kan es genung, umb es spillen zu sehen, aber nicht genung, umb selber zu spillen können. Madame de Longeüil, wo hatt die den papa s. gesehen? Sie muß den gar alt [sein], wo sie ihn hir im landt gesehen undt sich seiner erinern kan; den es muß woll 60 jahr sein, daß I. G. s. in Franckreich geweßen; den es war, ehe sie die Pfaltz wider hatten. Wen ich die freüde hette, Eüch zu sehen, wolte ich Eüch woll baldt sagen, ob Ihr I. G. unßern herr vatter gleicht oder nicht; den I. G. idée werde ich woll mein leben nicht verliehren. Es ist woll etwaß rares, so einen betrübten witwer zu sehen, wie der landtgraff von Darmstat ist. Ich glaube, daß es nicht gar rar ist, daß der churfürst mitt freüllen Schallenberg spilt. Ich habe einen von ihren brüdern gekandt, der ein schön gesicht hatte; wen die schwester ihm gleicht, ist es der mühe woll werdt. Er war hir mitt einem hertzog von Holstein, so in Turquey mitt der keyßerlichen ambassade geweßen war. Ich glaube, sie hattens in Turquey gelehrnt, allezeit beysamen zu sehen. Selbiger herr hatt hernach eine printzes von Wolffenbüttel geheüraht, ist nun schon todt. Adieu, liebe Amelisse! Hiemitt ist Ewer schreiben beantwort. Ich muß dießen abendt noch 4 brieff schreiben; kan Eüch derowegen nichts mehr sagen, alß wie daß ich biß ahn mein endt bin undt bleibe, wie ich Eüch alß versprochen, nehmblich daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
[459]
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. April 1706 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 457–459
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0309.html
Änderungsstand:
Tintenfass