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Brief vom 9. September 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


327.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 9 September 1706.
Hertzliebe Amelise, vergangen sontag habe ich Ewern lieben brieff vom 27 August zu recht entpfangen; aber wie ich Eüch schon offt gesagt, sontags kan ich ohnmöglich schreiben, weillen ich selbigen tage sonsten zu viel zu schreiben habe undt auch in kirch gehen muß; schiebe es also allezeit auff den donnerstag auff. Louise hatt mir seyder ihrer kranckheit wider geschrieben. Wen daß wetter zu Hannover ist undt zu Hernhaussen wie hir, fürchte ich, daß sie es entpfinden wirdt; den nach der greülichen hitze ist es auff einmahl so erschrecklich kalt worden, daß ich nun bey dem fewer sitze. Es geht ein gar durchtringender scharpffer kalter windt undt regendt alle augenblick, ein recht feücht ungesundt wetter. Man hört von nichts, alß krancken; meine fraw baß, madame la princesse, ist auch kranck. Ich werde morgen nach Paris, I. L. zu besuchen. Man sagt im sprichwordt hir: A quelque chose [476] malheur est bon, so geht es Louissen auch; den daß sie kranck geweßen, wirdt ihr alle die fatiguen salviren, so sie bey dem beylager würde gehabt haben. Die fraw von Rotzenhaussen ist wider frisch undt gesundt. Sie hatte vor 8 tagen weg gesolt; weillen wir aber nicht nach Fontainbleau sein, habe ich sie hir behalten, biß wir wider ernstlich hin werden. Den wirdt sie nach Luneville zu meiner dochter undt von dar nach Strasburg biß auff den frühling; den wirdt sie wider her, wilß gott. Mein dochter verliehrt keine zeit, kinder zu bekommen; es wirdt nun 8 jahr, daß sie geheüraht ist, undt sie geht mitt dem 8ten kindt schwanger. Vorgestern dachte ich noch an Eüch, liebe Amelise! Den alle meine leütte kammen alle undt zopfften ahn meinem auffgesetz; den es war gantz scheff. Es geschicht mir offt, wen ich einmahl gerade auffgesetzt bin, macht man mir complimenten drüber, aber es ist rar. Ich muß lachen, ob ich zwar wenig lust dazu habe, daß Ihr ampasade vor ambassade geschrieben. Ampassade heist man hir einen sergenten, welches schön were, umb die churprintzes abzufordern. Der braudtrock undt alles ander gerähte wirdt woll baldt von hir weg. Ich werde ihn aber nicht vor seiner abreiße sehen; den der Schultes ist so impertinent mitt mir umbgangen, daß ich nichts mehr von dem flegel hören will. Wie heist der cammerpresidendt, zu welchem Ihr zu gast gefahren seydt? Liebe Amelisse, Ihr habt in Ewer verzehlung von den pressenten ein bouquet vergeßen mitt einem rubinenring, so ma tante mir schreibt, daß der könig in Preüssen ahn seines herrn sohns braudt geben. Mich deücht, laq undt porcelaine seindt zu saubere sachen, umb vor ein kackstuhl zu dinen, es müste den ein schauscheiß sein, wie man in den gastereyen vor dießem schaueßen hatte in Teütschlandt. Ich bin gantz unlustig; den erstlich so bin ich in rechten ängsten undt sorgen vor meinem sohn, der biß über den ohren in der belagerung von Turin[1] steckt undt sich so wagt, daß es ein wunder, daß er noch beym leben ist, undt zum andern so hatte ich mich heütte auff brieff von ma tante gespitzt undt habe keine entpfangen. Daß macht mich so leünisch undt ich vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch recht lieb behalte, liebe Amelisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. September 1706 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 475–477
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0327.html
Änderungsstand:
Tintenfass