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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.
Versaille den 16 September 1706.
Hertzliebe Louisse, freyllich hatt mir Amelise geschriben, waß
ihr der könig in Preussen geantwortet hatt. Sie war damahlen
gar lustig; den sie hatt mir damahlen viel vexirerey geschrieben,
wo ich eine andere zeit auff selbigen thun
[1] würde geantwortet
haben; aber seyder vorgestern habe ich alle lust zu lachen undt
vexiren verlohren, indem ich die betrübte zeittung bekommen, daß
man meines sohns raht nicht hatt folgen wollen undt haben sich in
den linien forciren laßen. Mein sohn hatt zwey große wunden
davon getragen, eine ins dicke fleisch an den hüfften undt ein
andern musquettenschuß in dem lincken arm biß auff den knochen;
doch ohne denselben zu zerschmettern. Der balbirer versichert,
daß gar keine gefahr dabey ist. Gott gebe es! Ich dancke Eüch,
liebe Louisse, mein compliment bey I. L. dem cronprintz abgelegt
zu haben. Alle, die dießen printzen sehen, loben I. L. über die
maßen. Es ist mir recht lieb, daß Ihr wider gesundt seydt;
glaube, daß Ihr beßer thun werdt, liebe Louisse, außzugehen, alß
der cammer zu hütten. Die kräfften komen ehr wider, wen man
in die lufft geht, alß wen man einsitzt. Ich habe ahn ma tante
geschrieben, worumb Schultes so plump geweßen undt wie man ihn
erdapt hatt. Niemandts weiß beßer zu leben undt hatt mehr
politesse, alß monsieur Göritz; glaube also, daß er Schultes plumbe
maniren nicht aprobiren wirdt. Waß mich ahm meisten dran
verdrist, ist, daß ich der braut nicht habe nach ma tante befehl
dinnen können. Hette er gebracht, waß ich geschickt, were sie gewiß
beßer gebutzt geweßen. Ich kan nicht vertragen, daß der könig
in Poln so vindicatif ist undt seinem so nahen vettern nicht
verzeyen will. Ma tante schreibt, die churfürstin von Saxsen werde
nach Magdeburg gezogen, die königin aber in Saxsen blieben.
Adieu, liebe Louisse! Ich werde ahn Amelisse schreiben undt auff
zwey von ihren brieffen andtworten, habe noch über daß 4 brieff
zu schreiben; den man accablirt mich mitt brieffen wegen meines
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sohns unglück. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von
hertzen undt in leydt so woll alß in lust behalte behalte ich Eüch
von hertzen lieb.