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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 7 October 1706.
Hertzliebe Louise, vergangen sontag habe ich Ewer liebes
schreiben vom 24 September zu recht entpfangen. Den schwangern
weibern verhehlt man nur ihr unglück, damitt sie sich nicht
blessiren; aber raisonablen leütten die müßen ja woll wißen, waß ihnen
zukompt, undt denen verhelt man nichts. Ich habe es auch gar
nicht gern, daß man mir waß verhehlt. Es setzt mir noch einmahl
so sehr in sorgen; den ich glaube nichts mehr, waß man mir
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hernach sagt, undt mein alß, man verhehlt mir noch waß. Ich
dancke Eüch sehr, vor meinem sohn erschrocken zu sein. Die
wundt an der seydt war nichts gefährliches, ahm arm were mein
armer sohn aber bey einem haar gestorben; den er hatt sich zu
wenig geschondt, hatt geritten undt ist dabey so betrübt geweßen,
daß er nacht noch tag keine ruhe gehabt; also ist der kalte brandt
in die wunde kommen. Man hatt es so apropo abgeschnitten, daß,
gott lob, nichts übels drauß entstanden. Er [hat], gott lob, gar
einen gutten docktor undt feltscherer. Mein sohn bleibt bey seiner
armée undt wirdt dießen winter nicht wider kommen. Mein sohn
hatt, gott lob, daß glück, daß man woll weiß, daß, wen sein raht
gefolgt were worden, so hette der könig Turin undt der feindt
were geschlagen. Ich glaub, daß, wen mein sohn gewust, wie es
mitt der ittallienschen armee beschaffen, hette er sie nicht
ahngenohmen; aber da die sach geschehen, hatt er nicht zurück
gewohlt. Ich habe noch heütte 4 brieff zu schreiben undt habe schon
28 bogen ahn ma tante geschrieben; kan derowegen nichts mehr
vor dieß sagen, liebe Louisse, alß daß ich Eüch allezeit recht von
hertzen lieb behalte.