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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 10 Februari 1707.
Hertzliebe Louise, vor etlichen stunden habe ich Ewern lieben
brieff vom 1 dießes monts entpfangen. Ihr spottet meiner, vor eine
bagatelle so sehr zu dancken; Ihr hattet schon vergangene post
mehr davor gedanckt, alß die schachtel wehrt ist. Durch meine
andtwordt werdet Ihr, liebe Louisse, ersehen, wie daß ich Ewer
schreiben gar recht entpfangen habe, ob es schon nicht in ma tante
paquet geweßen. Weillen Ihr so erkandtlich vor eine bagatelle seydt,
ist es woll schadt, daß ich nicht in einem standt bin, Eüch was
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rechts zu schicken können. Ich kan mich nicht genung verwundern,
daß ma tante nicht bey der churprintzes niederkunfft geweßen.
Die sach geht I. L. ja genung ahn wegen Ihr herrn sohn hertzog
Max undt Ernst August; den solte der churprintz keine erben haben,
ging die chur ja geraht auff hertzog Max. Also deücht mir, daß
sie übel gethan haben, ma tante nicht dazu zu ruffen; den daß ist
ja ein respect, so der churprintz I. L. schuldig ist. Es ist auch
wunderlich, daß die kindtbetterin nicht besucht wirdt. Mein gott,
wie wirdt alles so wunderlich in der welt! Sagte
[1] man jetzt
audientzcammer? Zu meiner zeit sagte man pressentz. Fraw princessin sagte
man zu meiner zeit auch nicht, sondern nur princessin. Alles endert.
Ich bin fro, daß ma tante nach Braunsweig wirdt; daß wirdt I. L.
verenderung geben undt daß ist Ihnen gesundt. Ich habe eine bitte
ahn Eüch, liebe Louisse! Secht doch, ob Ihr die medaille
bekommen könt, da ich Eüch die abschrifft hir bey von schicke! Schreibt
mir, wen Ihr sie bekomen könt, waß sie Eüch gekost! so werde ichs
Eüch mitt danck bezahlen. Ma tante schreibt mir eben von den
wolffenbüttelischen princessinen wie Ihr, liebe Louisse! Mir würde
die wolffenbüttelsche princes beßer gefahlen, alß die von Zoldern;
den ich sehe lieber, waß angenehm, alß schön ist. Hertzog Anthon
Ulrich hatt mir all lengst geschrieben, wo zu er sein enckel
destinirt. Die cronprintzes ist woll unter einem glücklichen stern
geborn, aber wen daß glück nur wehrt! den alles ist so unbestandig
in der welt, daß man auff nichts bawen kan. Ich finde recht artig
von die cronprintzes, da ihr armbandt nicht hatt fertig können
werden, daß sie Eüch doch ein cachet geschickt hatt. Ich bin, gott
lob, vom husten undt schnupen courirt. Mein miltz plagt mich noch
etlich mahl, aber so baldt ich spatziren gehe, wirdt es wider gutt.
Adieu, liebe Louisse! Ich habe noch nohtwendig 4 brieffe zu
schreiben, kan derowegen nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von
hertzen lieb behalte.