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Brief vom 14. April 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


357.


[017]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 14 April 1707.
Hertzliebe Amelise, heütte maß ich auff zwey von Ewern lieben brieffen auff einmahl andtwortten. Den vergangenen sontag konte ich nicht auff daß vom 1 dießes mondts andtworten, den alle sontag habe ich nun gar zu viel zu schreiben; den selbigen tag muß ich nohtwendig ahn ma tante, unßere liebe churfürstin, ahn die regirende königin in Spanien, ahn mein sohn, ahn mein dochter, ahn ma tante von Maubuison undt noch ahn 3 personnen zu Paris schreiben, morgendts undt nachmittags in die kirch gehen, bleibt mir also gar keine zeit zu schreiben überig. Es ist nur zu war, daß man nicht sicher schreiben kan undt alle brieff gesehen werden; daß macht, daß ich allezeit so gezwungen reden muß. Gott seye danck, daß ma tante wider gesundt ist, undt erhalte dieselbe viel undt lange jahre! Es seindt viel damen hir in Franckreich, so daß potagram haben, nimbt mir also eben nicht wunder, daß Ihr es habt. Zu meiner zeit hatte Ewer mama daß potegram nicht, es muß ihr erst nach meiner abreiß gekommen sein; beklage Eüch sehr drüber, den es sollen gar große schmertzen sein. Ich drincke weder thée, chocolade noch caffé, bin persuadirt, daß alle die frembte sachen nicht gesundt, schmecken mir auch gar nicht.
Ich wolte, daß Ihr deß Cressus reichtum hettet; bin persuadirt, daß Ihr es woll ahnwenden würdet undt beß[er], alß manche, so es haben. Daß ist philosophisch, sich mitt wenigen zu gnügen, aber mehr schadt nicht.
Ich habe viel von der fürstin von Hohen Zoldern gehört, solle gar galandt sein. [Solcher] art leütte, wen sie jung sein, bekommen sie; wen sie alt werden, müßen sie spendiren. Von freüllin Pelnitz werde ich reden, wen ich auff Ewerm zweyten brieff andtworte. Ihre tante lebt nun woll, ihr man ist woll mitt ihr zufrieden, also nichts mehr gegen ihr zu sagen. Daß ist alles, waß ich auff den ersten brieff sagen kan; ich komme auff den zweyten, so [018] ich heütte entpfangen vom 8 dießes monts. Mein husten hatt sehr abgenohmen, huste nur noch ein wenig morgendts undt abendts. Waß hilffts, liebe Amelise? Ich kan sagen wie mutter Anecken in der comedie: Daß alter kompt mitt manche gebrechen. Ihr seydt gar zu demütig, zu sagen, daß Ihr nicht wehrt seydt, daß ich Eüch schreibe. Lieb undt freündtschafft habe ich vor Eüch, aber keine barmhertzigkeit. Meines sohns rang kan in alten büchern nicht recht beschrieben sein worden; den in ewiger zeit hatt man keinen neveu vom könig in Franckreich gesehen. Ich weiß nicht, ob ge[i]stliche bücher im Englischen ahngenehmer sein, aber in Teütsch undt Frantzösch finde ich sie alle so bitter langweillig außer die bibel, die ich nie müde werde, aber alle andere schlaffen mich ein. Weillen freüllen Pelnitz moraliter woll lebt undt tugendt hatt, kan nichts böß in ihr sein. Glaubt mir! alle, die so sehr in den kirchen stecken, seindt nicht alle mahl die frombsten. Wer woll lebt, wirdt auch woll sterben, insonderheit wen man eine Christin ist. Ich judicire also woll vom freüllen Pelnitz. Adieu, liebe Amelise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. April 1707 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 17–18
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0357.html
Änderungsstand:
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