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Brief vom 6. Mai 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


360.


[020]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz.

Marly den 6 May 1707.
Hertzliebe Amelise, vergangen samstag habe ich Ewer liebes schreiben von 21 April zu recht entpfangen, allein es kam zu spät ahn, umb selbigen tag drauff zu andtworten können, undt sontags war mirs noch unmöglicher; den selbigen tag muß ich nachmittags in kirch undt hatte 9 brieff zu schreiben undt lautter große brieff, ahn mein sohn, ahn ma tante, ahn die regirende königin in Spanien, ahn mein dochter, ahn monsieur de Polier, marquise Daluy,[1] ahn einen abbé, ahn ma tante de Maubuison undt ahn meines sohns beichtsvatter, le pere du Trevous,[2] konte also ohnmöglich mehr schreiben, habe es vor heütte verschieben müßen. Da ich noch ein schreiben von Eüch, liebe Amelise, entpfangen vom 26 April, werde [021] auff beyde heütte andtwortten, fange bey dem frischten ahn. Es ist woll schadt, daß Ihr keinen großen schatz graben könt, weillen Ihr so viel schönne sachen mitt machen wolt. Die leütte recht zu kennen, ob sie falsch sein oder nicht, ist etwaß schweres; den niemandts hatt kein fenster ahm hertzen, undt itziger zeit ist nichts gemeiners, alß die heüchelley, da auch die aller-auffrichtigsten mitt betrogen werden; den diesen mantel darff man nicht gleich auffheben, umb selber nicht böß zu scheinen. Ich halte, daß die ursach, worumb alle menschen nicht einerley glauben, ob ihnen zwar offt einerley gesagt wirdt, ist, daß unßer herrgott, wie es scheindt, die differentz undt enderung liebt;[3] den die menschen seindt so unterschiedtlich von humoren undt opinionen alß von gesichter; den wie die organen different sein, kan die wircken[4] nicht einerley sein, also muß es eine sondere gnade vom almächtigen sein, alß wie die von Pfingsten, wen alle die, so unterrichtet werden, einerley verstehen. Ich glaube nicht, daß man recht den Christenglauben haben kan, ohne selbigen durch die bibel zu befestigen. Mich deücht, Louise kranckheit wehret lang in dießer jahrszeit; daß nimbt mich wunder. Ich bin woll 10 jahr alter, alß Louisse, undt erholle mich geschwinder, wen ich kranck bin; kan es nicht begreiffen. Ob sie ma tante zwar dint, hintert es nicht, daß sie auch bedint wirdt; den sie dint ja nicht wie ein knecht oder magt. Sie ist ja gar nicht alt, solte nun bey ihre besten kräfften [sein]. Ihn ihrem alter jagte ich den hirsch 10 stundt im tag ohne müdt werden. Caffé halte ich ungesundt; aber ich sehe nicht, daß es nohtwendig seye, solchen zu gebrauchen. Ich dancke Eüch sehr vor alle gutte wünsche, liebe Amelise, undt wünsche Eüch hergegen alles, waß Ewer hertz begehret, undt komme jetzt auff Ewer erstes schreiben.
Von Hannover biß her hettet Ihr mir die böße lufft nicht schicken können. Hatt Louisse kein meledy-Kent-pulver in ihren rottlen genohmen? Ich zweyffle dran, weillen sie daß fieber noch hatt.
Wer [hat] die ehr von der freüllen Pelnitz ihre bekehrung? Seydt Ihr es oder Louise? Ma tante hatt mir den traum nicht geschickt, so der barytische[5] cavalier inventirt hatt; weiß nicht, waß es ist. I. L. müßen vergeßen haben, es zu schicken. Ich bin in [022] sorgen vor unßere tante von Maubuison. I. L. haben einen starcken schnupen mitt kopffwehe undt 85 jahr daß ist keine vexirerey. Gott wolle sie bewahren! Ich ambrassire Eüch undt Louise von hertzen undt behalte Eüch beyde von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Mai 1707 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 20–22
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0360.html
Änderungsstand:
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