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Brief vom 21. August 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


378.


[038]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Hanover.

Marly den 21 Augusti 1707.
Hertzliebe Amelise, vergangen donnerstag war es mir ohnmöglich, auff Ewer liebes schreiben vom 8 zu andtwortten; den wir wahren den gantzen tag auff der hirschjagt undt hernach must ich mich von kopff zu füßen anderst kleyden undt abendts war mussiq. Waß ich nur zeit hatte, wendte ich ahn ma tante brieff ahn. Die gesterige post hatt gefehlt, welches mich gantz leünisch macht, so woll, alß daß gar heßliche wetter. Ich will Eüch etwaß gar ungerechts sagen, nehmblich daß, ob ich zwar kaum der zeit habe, brieffe zu beantworten, so entpfange ich sie doch gern. Man findt [039] leichter zeit, zu leßen, alß zu schreiben; auff der jagt selber leße ich die brieffe undt da kan ich nicht schreiben. Ich weiß, wie schon gesagt, daß es ungerecht ist, brieffe zu begehren, wen man nicht fleißig andtwort; jedoch, liebe Amelisse, so bitt ich Eüch doch, nicht auffzuhören, fleißig zu schreiben, wen Ihr der zeit habt. Aber man rufft mich in kirch; nachdem ich gebett, werde ich wider schreiben.
Nun komme ich wieder auß der kirch undt werde Eüch noch ferner entreteniren, liebe, biß man zur taffel geht. Ihr habt gar woll gemeint, daß mein brieff müße beantwortet werden. Louisse undt Ihr werdet allezeit woll thun, mir fleißig zu schreiben, undt Ewere schreiben werde ich mitt freüden entpfangen undt leßen. Man meint, daß nun baldt etwaß in Teütschlandt vorgehen wirdt; den die zwey armeen canoniren sich. Ich habe es ma tante nicht sagen mögen; den I. L. werden nur zu baldt zu gedencken haben, daß dero herr sohn, der churfürst, baldt in gefahr wirdt sein, ohne daß ich I. L. noch dran gemahne. Vilar ist gar kein poltron; geht er zurück, muß er es ursach haben. Wen die keyßerin nicht were, so ich hertzlich lieb habe, were es mir lieber, daß der könig in Schweden römischer keyßer were, alß kein anderer, weillen er von unßerm hauß ist, aber der keyßerin kan ich nichts übels wünschen. Umb die sach allerseytten gutt zu machen, müste der keyßer sterben undt der könig in Schweden den keyßerthron mitt der keyßerin besitzen. Ich bin recht fro, daß ma tante nach Braunsweig geht; daß wirdt die trawerige gedancken vertreiben; erfrewe mich mitt Eüch, liebe Amelisse, daß Ihr auch hin werdet. Daß sprichwordt habe ich mein tag nicht gehört, daß man sagt, man stoße einem daß maul auff den tisch, wen man einem zu gast ladt; so wolte ich, daß Ihr mir daß maul auch auff den tisch stoßen möget. Man ist alß fro, gutte ehrliche leütte zu freünde zu behalten. Es gibt gutte undt böße in allen nationen undt in allen religionen. Pere Vota ist sehr in gnaden bey ma tante, wie ich sehe. Seine disputten mitt monsieur De la Hontant divertiren I. L. recht; ich glaube aber, daß die vergleichung vom eßel dem monsieur De la Hontan nicht zum besten gefahlen. Nun rufft man mir zur taffel, kan also nicht mehr, alß in eyll sagen, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. August 1707 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 38–39
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0378.html
Änderungsstand:
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