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Versaille den 12 Januari 1708.[1]
Hertzliebe Amelise, es ist schon woll 10 oder 12 tag, daß ich
Ewer schreiben von 10 December entpfangen, aber ohnmoglich eher,
alß nun, beantworten können; den wegen daß neüe jahr, wie auch
wegen meines sohns ahnkunfft habe ich alle tag so viel leütte
gehabt, daß ich Eüch ohnmöglich habe auff Ewer liebe schreiben
andtwortten können, aber mitt allem dem gethun so seydt doch
versichert, liebe Amelise, daß mir Ewere schreiben allezeit
ahngenehm sein undt daß ich so offt andtworten werde, alß es mir
immer moglich sein wirdt! Mein gott, wie halt ich Eüch so vor
glücklich, hin zu reißen können, wo Ihr nur hin wolt! Nichts thue
ich lieber, alß reißen. Seydt versichert, daß mir zu schreiben,
recht woll gethan ist, undt habt hirüber gar keinen scrupel! Daß
ist alber in Teütschlandt, daß man verbiedt, zu schreiben. Weder
Ihr noch ich mischen unß ja in keine stadtssachen. Worumb solten
wir den einander nicht schreiben? Wer hatt den die alber possen
auffgebracht, so in den vorigen kriegen nie geweßen ist? Ma tante
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werde ich dießen brieff schicken, damitt Ihr ihn sicher bekommen
mögt. Ihr habt ja in den bößen wegen nicht umbgeworffen. Es
hatt mich recht in der seelen gefrewet, daß Ihr sagt, daß das gutte
ehrliche Heidelberg wider so woll gebawet ist. Gott wolle es vor
ferner unglück bewahren! Aber seydt monsieur de Louvois todt,
brent undt sengt man nicht mehr wie zu seiner zeit, hoffe also, daß
es nicht mehr wirdt gebrendt werden. Ich bitte, schreibt mir, wo
Ihr logirt undt in welcher gaß Ihr wondt! Ich mögte auch wißen,
ob die heylige-geist-kirch undt die Neckerbrück wider gebawet
sein. Warumb lest der churfürst daß schloß nicht wider zu recht
machen? Es ist ja woll der mühe werdt. Heydelberg hatt eine
gutte lufft, aber sie ist beßer im schloß, alß in der statt. Ich
wünsche, daß Ihr Ewere sachen baldt richtig mögt machen. Wo
ist aber der pfaltzische hoff nun? Seindt sie zu Heydelberg oder
nicht? undt wohnt der churfürst den nicht im schloß, wen er dort
ist? In der statt ist ja kein lossement. Schreibt ahn fraw von
Degenfelt, daß sie ihren sohn herschicken kan! Ich werde seine
hoffmeisterin sein undt vor ihn sorgen. Schreibt, ob sie einen paß
haben will! Den ohne paß kan er nicht herrein. Es muß auch
specifirt sein, wie viel leütte er mittbringt. Schreibt mir diß alles!
so werde ich Eüch einen paß schicken. Ma tante schreibt, daß
Louisse resolvirt, ein fontenelle ahm arm zu setzen; daß ist mir
leydt, den es ist eine schlime, unsaubere sach undt gefahrlich
dabey undt hilfft zu nichts. Ihr sagt nicht, ob sie die 2 bouteillen
vom dockter Gendron haben will, jedoch so schicke ich sie hirbey.
Sie muß ahn kein schreiben dencken, so lang ihre augen nicht
heyll sein. Ambrassirt sie von hertzen von meinetwegen undt sagt
ihr, daß es mir von hertzen leydt ist, daß sie noch nicht heyll ist!
Undt weillen diß daß erste mahl in dießem jahr ist, daß ich Eüch
schreibe, so muß ich nach guttem alten Heydelberger brauch ein
glückseeliges neües jahr wünschen sambt volkommener gesundtheit,
langes leben undt alles, waß Ihr undt Louisse Eüch selbsten
wünschen undt begehren möget, undt versichere Eüch beyde, daß ich
Eüch nicht weniger lieb in dießem, alß alle andere jahre meines
lebens, behalten werde.