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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Heydelberg.
Marly den 24 Novembris 1708.
Hertzliebe Louisse, heütte schreibe ich nur, umb mein wordt
zu halten undt die Versprechung, so ich gethan, keine woche mehr
vorbey zu gehen laßen, ohne ahn Eüch oder Amelisse zu schreiben.
Seyder 8 tagen, daß ich ahn Amelisse geantwortet, habe ich nichts
von Eüch entpfangen, weiß also nicht, ob meine zwey letzten so
glücklich, alß wie daß erste, überkommen sein. Ich wünsche von
hertzen, liebe Louise, daß dießes schreiben Eüch in gutter
gesundtheit ahntreffen mag undt mit offenen augen. Amelise schriebe mir
letztmahl, daß Ihr baldt wider nach Hannover werdet. Ma tante,
unßere liebe churfürstin, ist, gott lob, wider gantz gesundt. Gott
der allmächtige woll I. L. lange jahren dabey erhalten! Mir ist
aber bitter bang bey dem langen husten geweßen; fürchte alß, es
würde ein brustwehe drauß werden. Von hir kan ich Eüch gar
nichts neües berichten, alles geht sehr still her. Donnerstag solte
man den hirsch jagen, aber der nebel war so erschrecklich, daß
man es biß auff den andern tag, alß gestern, verschoben. Gestern
that der könig eine schönne jagt, daß wetter war auch nicht gar
schlim, es war aber zu geschwindt gethan. Der könig wolte einen
andern jagen, aber es kam, nachdem wir wider 3 viertel stundt
gejagt, ein so kalter windt, mitt schneflocken, regen undt schloßen
untermengt, daß mir die lust gantz verging, undt fuhr wider her.
Umb den andern tag ist mussiq von 3 viertel auff 9 biß umb 10,
daß man zum nachteßen geht. Daß ist alles, waß ich von hir
sagen kan. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen
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undt versichere Eüch, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb
behalte undt Amelisse auch.