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A mad. Loyse, raugräffin zu Pfaltz, a Heydelberg.
Versaille den 8 December 1708.
Hertzliebe Louisse, wie ich mich eben hersetzte, umb Eüch
zu schreiben, entpfange ich Eweren lieben brieff vom 17 November.
Es ist war, liebe Louisse, daß Amelisse mir geschrieben, daß Ihr
wider übel ahn Ewere augen gewest seidt. Ich wolte, daß Ihr
herkommen köntet; den ich glaube, daß, wen Gendron Ewere augen
sehen solte, würde er Eüch heyllen, den es ist gar ein gelehrter
occulist; der docktoren sach ist es nicht. Ich habe es versprochen
undt werde es halten; alle woch werdet Ihr einen brieff von mir
bekomen, eins umbs ander, Amelisse undt Ihr. Ich schreibe alle
tag, drumb seydt nur in keinen sorgen! Ich bins gewohnt; zu dem
so seindt 2 personnen hir gestorben, so ich alle tag schriebe; ahn
deßen stadt werde ich, wie schon gesagt, alle woch ahn Eüch undt
Amelisse schreiben. Ich habe auch nun montags undt freytags
weniger zu schreiben, indem, gott sey danck, mein lieber sohn
vorgestern frisch undt gesundt wider kommen ist. Also macht Eüch,
liebe Louisse, über meinem schreiben gar keinen scrupel! Lenor ist
lengst wider zu Strasburg, ich hoffe aber, daß sie baldt
widerkommen wirdt. Ihr lustiger humor endert gantz undt gar nicht. Ich
bin nicht wie sie, die lust ist mir lengst vergangen, bin nun offt
sehr reveux. Ach, liebe Louisse, waß hilfft wünschen, wen nichts
volzogen wirdt? Mein vatterlandt habe ich recht lieb. Ich bin
leyder in keinen standt, 2 tag zu reißen, undt wen ichs gleich were,
würde man mirs nicht erlauben; man hatt mir nicht erlauben
wollen, in Lotheringen zu meiner dochter zu reißen, will geschweygen
den weitter. Gott seye ewig danck! Aber ma tante befindt sich
nun gar woll undt ich auch, dancke Eüch sehr vor Ewere gutte
wünsche, liebe Louisse! Ma tante, unßere liebe churfürstin, hatt
mir dero herrn sohns ahnkunfft bericht. Wie kompts, daß die post
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so gar unrichtig von Heydelberg nach Hannover gehet? Sorgen
habe ich auch unerhört außgestanden, wie ma tante ihren husten
gehabt hatt. Es ist eine schande, daß deß churfürsten zu Pfaltz
leütte Eüch so gar lang auffhalten. Wenn man bey leütten ist, so
man lieb hatt undt nach seinen sin leben kan, deücht mir, das
einem die zeit nie lang fallen kan. Mein sohn macht mir auch
erschrecklich den frieden wünschen, ich sehe aber leyder noch
schlegte ahnstaldt dazu. Ich gestehe, daß mich meines sohns
ahnkunfft woll hertzlich erfrewet hatt. Er ist diß jahr allein glücklich
geweßen. Ich bin wie die graffin Effern, bin auch etlich mahl recht
gritlich. Es ist mir lieb, daß Ihr zufrieden mitt dem Monsieur de
la Houssay
[1] seydt; den es ist ein gutter ehrlicher man. Daß
compliment ahn churfürst undt hertzog von Braunsweig wirdt ein ander
mahl ersetzt werden. Daß solle der churfürst auff ein endt haben,
gerecht zu sein; damitt wirdt er eher [in] den himmel kommen,
alß mitt betten. Wo soldatten ordinari hinkommen, geht es nicht
woll her. Ewere lieben schreiben kommen mir nie zu lang vor;
Ihr segt ja woll, wie exact ich andtworte. Drumb habt da keinen
scrupel vor, es seye den wegen Ewere augen! Dieße entschuldigung
laß ich gelten, aber die andere nicht. Adieu, liebe Louisse! Seydt
versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb habe undt
behalten werde! undt mögte gelegenheit finden, Eüch solches durch
ahngenehme dinsten zu persuadiren können.
Ich kan ohnmöglich dießen brieff überleßen. Endtschuldigt
die fehler, liebe Louise! Ihr seydt so gewondt, meine gekritzel zu
leßen, daß Ihr woll errahten werdt, waß ich sagen will.