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Brief vom 15. Dezember 1708

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


400.


[064]
Versaille den 15 December 1708.
Hertzliebe Amelise, vor 4 tagen habe ich schon Ewern lieben brieff vom ersten dießes monts entpfangen, aber mitt fleiß nicht eher, alß heütte, drauf geantwortet; den einen tag ordentlich zu [065] halten, ist daß rechte mittel, alle woche zu schreiben. Es ist mir lieb, daß unßer comerse nun so woll establirt ist; hoffe, daß es dawern wirdt. Von Ewerem gehabten irtum will ich nichts mehr sagen, weillen Ihr desabussirt seydt, liebe Amellisse, undt es ist gar gewiß, das Ihr dem Wilhelmel unrecht gethan habt. So heist die fraw von Ratsamshaussen alß ihre zweyte dochter, die Ihr gesehen habt. Sie ist nun wider zu Strasburg bey ihren kindern, wirdt aber baldt wider herkommen. Liebe Amelisse, wir seindt einander zu nahe, umb unß, wie wir auch sein mögen, nicht vom weittem oder nahe lieb zu haben. Es ist kein mensch in der weldt perfect undt ohne fehler, eines muß deß andern seine entschuldigen; aber wo gutte gemühter sein, alß wie bey Louisse, Ihr undt ich, da kompt man alß woll zu recht, daß geblütt lest sich fühlen. Ewerserliche[1] schönheiten seindt gutt, im verbey gehen wie ein gemähls zu sehen, aber ehrlichkeit, tugendt undt gutt gemühter daß ist gutt, bey denen zu finden, so man all sein leben lieben will. Ich weiß leyder woll, daß es nicht sein kan, daß wir zusammen leben; aber ich sage, daß ein solches ruhiges leben mir beßer ahnstehen undt ahngenehmer sein würde, alß daß hiesige hoffleben. Wie die leütte nun sein, ist meine sach gar nicht, mitt ihnen umbzu[gehen]; drumb lebe ich auch wie ein hermit undt einsidtler bey dießem hoff undt gehe mitt gar wenig leütten umb, bin von zwey biß 8 gantz allein in meiner cammer, doch endert mein leben nach den stunden. Ich will Eüch erster tagen beschreiben, waß ich von morgendts biß abendts thue. Wen unßere gutte ehrliche Teütschen folgen wolten, waß man guts in Franckreich thut, werden sie zu loben [sein], aber zu folgen, waß selber hir gethatelt wirdt, daß ist abgeschmackt undt ridicule. Der gottsförchten undt die es wie eine profession folgen, seindt nur zu viel hir im landt undt alles, waß ahm schlimbsten ist, bedeckt sich mitt dießem mantel, welches der devotion selber schimfflich ist. Madame de Chasteautier ist nicht von dießen falschen devotten, sondern eine gar ehrliche undt raisonable undt verstandige dame; sie weiß nicht, daß sie Teütschen charmirt hatt, ich wilß ihr aber sagen undt sie mitt vexiren. Daß teütsche liedt, so Ihr cittirt, hatte ich nie gehört. Der duc de Berwick[2] ist wider zu straß,[3] habt ihn also nicht zu förchten. [066] Louisse rümbt sich monsieur de la Houssaye. Wie ist er den so geentert? Wen Ihr oder Louise es vor nöhtig halt, daß ich ihm wider vor Eüch schreiben solt, könt Ihr mirs nur zu wißen thun, so werde ich nicht fehlen, zu schreiben. Der könig weiß solche sachen nie, lest die intendententen gewehren. Auß meinem letzten schreiben ahn Louisse soltet Ihr ersehen haben, daß mein sohn wider seyder donnerstag 8 tag hir ist undt, gott sey danck, in volkommener gesundtheit. Die andere printzen, alß duc de Bourgogne undt duc de Bery, seindt auch seyder montag wider hir undt der könig in Engellandt seyder dinstag; mittwog kame er mitt der königin, seiner fraw mutter, her. Gestern bin ich nach st Germain gefahren. Es ist eine wunderliches unglück daß accident, so Louisse ahn den augen hatt; sie jamert mich recht drüber. Aber da komen leütte; den alles, waß auß der armée kompt, muß man nun sehen, undt damitt ist es gethan, biß sie wider weg gehen. Adieu! ich muß schließen, den es ist zeit, in die commedie zu gehen habe. Ich kan mein brieff nicht überleßen, laß Eüch rahten. Ambrassirt Louise undt seydt versichert, daß ich Eüch allezeit lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Dezember 1708 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 64–66
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0400.html
Änderungsstand:
Tintenfass