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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Heydelberg.
Versaille den 26 Januari 1709.
Hertzallerliebe Louise, ich bin in sorgen vor Eüch; den ich
habe seyder 8 tagen kein schreiben weder von Eüch noch von
Amelise entpfangen undt ich weiß, wie exact Ihr beyde seydt,
insonderheit da ich Eüch nun alle woche schreibe. Ich fürchte sehr,
Ihr werdet Eüch übel befunden haben, welches mir von hertzen
leydt ßolte sein, wünsche, daß es nur der post schuldt mag sein.
Ich schreibe Eüch heütte mit trawerigen undt schwehren hertzen;
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den meine tante von Maubuisson ist kranck, hatt alle tag daß
fieber undt dabey 87 jahr, weniger 3 mont, ist mir also bitter bang,
daß es ein schlim endt mitt I. L. nehmen wirdt. Zu dem ist mir
gestern mein leibdockter gestorben, so gar ein feiner, ehrlich undt
trewer man war, welches ein rar möbel in Franckreich ist undt
schwer wider zu ersetzen. Es ist abscheüllich, wie viel leütte hir
seyder der kalte gestorben. Madame de Maintenon hatt auch
vorgestern eine gutte freündin verlohren, so madame d’Heudicourt
geheyßen. Ahn allen ortten hört man nichts, alß von sterben,
welches trawerig undt langweillig ist. Zu Paris in einen tag nur in
der paroisse de st Paul seindt 92 leichen begraben worden, will
geschweygen, waß in jede paroise, deren so viel zu Paris sein,
vorgangen. In einem hauß hatt man den man, daß weib undt
5 kinder erfroren gefunden. Man hört von nichts, alß unglückliche
undt trawerige sachen; daß macht daß hertz gantz schwer, kan
also heütte nichts mehrers sagen, weillen ich kein schreiben von
Eüch habe, alß daß ich Eüch bitte, Amellisse von meinetwegen zu
ambrassiren undt persuadirt zu sein, daß ich Eüch beyde allezeit
von hertzen lieb behalte.