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Brief vom 2. Februar 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


406.


[074]
Versaille den 2 Februari 1709.
Hertzliebe Amelise, dieße post hatt wider eingebracht, waß die vorige verseümbt; den ich bin mitt zwey von Ewern lieben schreiben erfrewet worden, eines vom 12, daß ander vom 19 Januari. Ich hoffe, daß es mitt den meinen auch so wirdt gangen sein undt daß sie nicht werden verlohren sein; daß sie aber bey itzigen abscheülichen wetter nicht richtig gehen, ist kein wunder. Eüch zu schreiben, ist mir gar keine last undt Ihr segts ja woll. Waß die fraw von Ratsamhaussen ahn ihrem bruder, dem Eberfritz, geschickt, war kein brieff ven mir, sondern nur ein paßport, den ich ahn seinem sohn geschickt, umb her zu kommen können. Es ist wunderlich, daß der general Veninger mir schon zwey mahl einen pasport vor seinen sohn gefordert undt kan sich doch hernach nicht [075] resolvirt,[1] wen er den pasport hatt, seinen sohn her zu schicken, es were doch zeit; aber wie unßere liebe churfürstin alß sagt: Ein jeden seine weiß gefehlt undt seinen dreck vor weirauch helt. Veninger ken ich all mein leben, halt ihn vor einen auffrichten, ehrlichen menschen. Die kirschnerin muß nun auch woll nicht mehr jung sein. Die kälte ist hir im landt so abscheülich, daß man sagt, daß seyder anno 1606 man nicht dergleichen gesehen; allein zu Paris seindt seyder den 5 Januari biß nun 24 m. menschen gestorben. Ich glaub nicht, daß man jemahlen so einen großen schnee in dießem landt gesehen, alß nun. Hir weiß man nicht, waß schlitten fahren ist; sie haben keine schlitten, oder so schwer undt abscheülich, daß sie nicht zu sehen sein. Hiemitt ist Ewer erster lieber brieff vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß zweyte von dem 19 Januari, worauß ich sehe, daß meine relation ahnkomen. Unßer leben ist mehr ordentlich, alß zeitverdreiblich. Man hatt Eüch nicht übel bericht, daß der p von B viel schulden hatt; also ist weytter nichts hirauff zu sagen, alß daß ich wünsche, daß Ewer niepce glücklich möge werden undt sich nach Ewerm sin verheürahten. Wen ein standt in der weldt were, wo kein verdruß zu finden, würde, die es haben, nicht lang leben; den man würde sich den halß brechen, umb dießen standt zu haben. Ich bin woll Ewerer meinung, liebe Amelisse, daß man in dießer weldt sie[2] so wenig, alß möglich, die sachen schwer solle machen undt sich suchen zu behelffen. Gesundt undt lustig kan man woll bleiben, aber warlich nicht jung; gesundt undt lustig ist gutt genung. Halt Eüch dabey, liebe Amelisse! Louise solte Ewer gutt exempel folgen. Lob kan nicht fliehen[3] in woll thun; den wen gleich etlich boßhafftig genung sein, umb es zu hindern wollen, ist doch allezeit eine gewiße gerechtigkeit, wo daß gutte sein lob findt. Gedult ist allezeit zu alles gutt, aber bitter zu verdawen. Ma tante, die fraw churfürstin, meritirt freylich, zu meysteriren; die natur hatt unß schon I. L. ergeben, aber ich hette keine mühe, ihr auch durch willen zu gehorsamen. Man sagt im frantzöschen sprichwort: A la cour il faut avoir bon pied, bon oeuil. Ich wünsche, daß Louisse so wider nach Hannover kommen möge. Ich bitte, ambrassirt sie von meinetwegen undt seydt beyde versichert, [076] daß ich Eüch alle beyde von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Februar 1709 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 74–76
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0406.html
Änderungsstand:
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