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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Heydelberg.
Versaille den 6 April 1709.
Hertzliebe Louisse, es war heütte recht schon wetter, ich habe
michs zu nutz gemacht, bin anderthalb stundt zu fuß spatziren
gangen, undt wie ich wider hereinkommen, hatt man mir Ewer
liebes schreiben vom 30 Mertz gebracht, also just 8 tag. Daß ist
daß frischte, so ich entpfangen, seyder Ihr zu Heydelberg seydt.
Weillen meine nun auch geschwinder gehen, hoffe ich, daß hinfüro
unßere corespondentz gantz befestiget wirdt werden undt woll
gehen, welches mir recht lieb ist. Ich kan aber nicht begreiffen,
warumb meine brieffe 3 tag lenger unter wegen sein, alß die
Ewerige , liebe Louise! Es ist mir woll von hertzen leydt, daß eine
so schlime ursach abermahl schuldt geweßen, daß Ihr mir nicht
habt schreiben können undt daß Amelisse noch so harte ahnstöß
gehabt hatt. Von einer solchen kranckheit habe ich die tag
meines lebens nicht gehört, mögte wißen, wie es die docktoren heyßen.
Es ist leicht zu begreiffen, waß vor schrecken man außstehen muß,
wen man eine liebe schwester ersticken sicht. Gott gebe, daß ihr
woll sein nun einmahl bestandt mag haben! wünsche von grundt
meiner seelen, daß sie perfect geneßen möge. Es hatt keine eyll,
daß sie mir schreibt, den die aplication mögt ihr schaden; also
beßer, daß sie sich perfect courirt, umb ohne gefahr hernach zu
schreiben können; nehme gern ihre grüße durch Eüch auff, liebe
Louisse, wen sie nur recht courirt. Her Grunlinden nahmen
erinere ich mich woll, aber seiner person kan ich mich nicht mehr
recht erinern. Ich weiß ihm aber woll recht danck, sich meiner
so woll zu erinern; bitte, wolt ihn doch meinetwegen grüßen undt
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dancken! Alle trewe dinner von meinem herr vatter s. da halte
ich viel auff undt mögte gelegenheit finden, ihnen zu dinnen
können, thete es von hertzen gern. Er thut aber nicht woll, so selten
zu Eüch zu kommen. Wen man docktor sicht, kan man historger
genung erfahren; den sie wißen allezeit etwaß zu verzehlen.
Dockter Faust war von recht gutter geselschafft. Dockter Nebel hatt
groß unrecht, nicht zu mir [zu] kommen; alle Teütschen, insonderheit
ehrliche Pfältzer, haben einen freyen zutritt bey mir, will
geschweygen dan der bedinten kinder; hette nur kommen können
undt seinen nahmen nehnen, so hette ich ihn gleich gesehen.
Monsieur Polier reist nicht mehr, ist aber noch frisch undt gesundt,
kompt allemahl zu mir, wen ich zu Paris bin, undt schreibt mir alle
tag, ist doch nun 89 jahr alt. Der krieg hatt sein ziehl gesetzt.
Wen die zeit wirdt kommen sein, daß unß gott der allmächtige
frieden wirdt geben, wirdt sich schon alles schicken, man wolle
oder wolle nicht. Es ist nun hir wider eine neüe betrübtnuß
vorhanden, den monsieur le prince ist vergangen montag gestorben.
Seine gemahlin, so ich dinstag zu Paris besucht, ist untrostbar undt
hatt doch keine ursach, so betrübt [zu sein]; den die tugendtsame
fürstin hatt viel bey ihm gelitten, ist nun in ruhe undt steinreich.
Sonsten weiß ich nichts neües. Adieu, liebe Louisse! Seydt
versichert, daß ich Eüch undt Amelisse allezeit von hertzen lieb
behalte!