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Brief vom 5. Mai 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


420.


[098]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Heydelberg.

Marly den 5 May 1709.
Hertzallerliebe Louise, dieße woch kan ich nicht über die post klagen, daß sie mir kein schreiben von Eüch gebracht; den in zwey [099] tagen habe ich zwey entpfangen, eines vom 20 undt eines vom 23 April; habe ohnmoglich eher, alß heütte, andtwortten können, werde also alle beyde heütte auff einmahl beantworten, fange bey dem frischten ahn. Ihr dorff mir, liebe Louise, so offt schreiben, alß Ihr wolt undt der zeit habt. Ich habe mir aber, umb Eüch zu schreiben [den samßtag ausgewählt], weillen dießer tag der eintzige von der gantzen woch ist, in welchem ich ahm meisten zeit, zu schreiben, habe; den sontags schreib ich ahn ma tante, unßere liebe churfürstin, undt ahn mein dochter undt selbigen tag kommen auch meine leütte, alß mein intendent undt raht von Paris, mitt welchen ich von meinen sachen reden muß, paprassen besehen undt unterschreiben. Montags muß ich ahn die zwey königinen in Spanien schreiben, wie auch ahn die hertzogin von Savoye, undt arbeydt noch mitt meinen leütten, da werden alle ordre undt zahlungen außgetheilt. Dinstags haben wir die vissitten von den ambassadeurs undt envoyes undt nachmittags schreibe ich ahn mein dochter undt ahn 3 von ihre kinder, die mir schon schreiben. Mitwogen schreib ich ahn die hertzogin von Hannover, nach Modene undt waß mir sonst noch vor schreiben zu handen kommen. Donnerstags schreibe ich wider nach Hannover undt gehe etlich mahl in daß abendtgebett undt salut, so woll alß den sontag. Freytags schreibe ich wider nach Luneville, sambstag aber habe ich keinen posttage, drumb habe ich den Ewerigen drauß gemacht. Von einer solchen kranckheit, wie Amelisse ihre, da habe ich mein leben nicht von gehört. Wen die docktoren alles so in Latein setzten, mögte ich ihnen gern sagen, alß wie monsieur Grichar in der commedie[1] sagt: Eh, parle françois, excrement de colege! Wen wir arme menschen ein fenster in den magen hetten, wo die docktoren nein sehen könten, glaube, daß sie mittel finden würden, die leütte zu couriren, aber weillen sie alles rahten müßen, ist es kein wunder, daß alles so unsicher bey ihnen ist. Ich bin recht in sorgen wegen Amelise; den ihre kranckheit mitt den gichten undt convulsionen kompt mir gefehrlich vor. Mich deücht, Amelise ist noch zu jung, ihre zeit zu verliehren; den wo mir recht ist, so ist Amelisse nur 45 jahr alt. Wenig weiber verliehrens in den jahren, ich habe es [100] aber auch in die zeit verlohren, bin aber, gott lob, gar nicht krank davon geworden. Windt, waßer undt schleim da bin ich auch gar sehr mitt geplagt. Ey, liebe Louisse, waß façon seindt daß, daß Ihr mich umb verzeyung bitt, mir zu sagen, waß ich zu wißen begehre! Da hatt [man] ja niemahlen umb verzeyung gebetten. Wie kommen Eüch doch dieße ceremonien ahn, die so gar ohnnohtig sein, insonderheit mitt mir? Den Ihr sprecht mitt mir, alß wen ich Eüch gantz bludtsfrembt were undt mich nichts vor Eüch noch Amelisse interessirte. Daß offendirt mich recht; geschicht es mehr, so werde ich recht zörnen. Schempt sich der general Veningen nicht, seinen sohn nicht in krieg zu führen oder reißen zu laßen? Ich habe ihm schon zweymahl auff sein eygen begehren pasport geschickt.[2] Will er nur einen lumel auß ihm machen, da wirdt er wenig ehre von haben. Das karge leben kan ich nicht begreiffen, wen man mittel hatt. Apropo vom jegermeister, ich hoffe, seine schwester Lenor morgen hir zu haben. Sie kompt heütte zu Paris ahn undt ich habe ihr[3] dort eine kutsch, so sie noch dießen abendt nach Versaille führen solle undt morgen her. Der duc de Chomberg konte ohnmöglich böß über seinen sohn werden, er hatte es recht artig gemacht.[4] Hiemitt ist Ewer letztes undt liebs schreiben vollig beantwortet. Ich komme auff daß erste vom 20 April, sehe, daß Ihr meine schreiben zimblich richtig bekompt; die Ewerigen, wie Ihr secht, werden auch nicht verlohren. Es ist mir recht von hertzen leydt, daß Amelisse noch nicht wider gesundt. Ich bitte, Ihr wolts ihr doch von meinetwegen sagen undt sie ambrassiren. Ob meine wünsche zwar zu nichts nicht helffen, kan ich nicht laßen, taglich zu wünschen, daß sie wider zu volkommenen gesundtheit baldt gelangen möge. Sagt ihr diß alles von meinetwegen! Ich hette woll gemeint, wie Ihr, daß die gütte frühlingslufft, insonderheit zu Heydelberg, alwo die lufft beßer, alß in keinem ort, ist, Amelise woll würde bekommen sein; es erschreckt mich aber recht, daß es so übel abgeloffen ist. Ich entpfange lieber Grünlinden undt docktor Nebels dancksagung durch Eüch, alß durch ihre; den ich habe keinen teütschen secretarius, so drauff andtworten konte, undt mitt [101] eygener handt kan ich es schwerlich thun, den ich habe gar zu viel zu schreiben. Ich bitt, bringts ihnen doch höfflich vor, daß es ihnen nicht verdrießen kan! Den ich wolte gern die gutte ehrliche leütte nicht beschimpffen. Die historger von den nachtigallen haben mich recht erfrewet, seindt gar artig; ich höre gern so allerhandt merger. Aber es schlegt 8, ich muß wider meinen willen schließen, den ich habe noch 3 brieff nach Paris zu schreiben; daß nur noch sagen, daß mylord Marlbouroug, wie man hir meint, wider nach Englandt gereist ist, also wirdt Ewers neveus reiße kurtz geweßen sein. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch biß ahn mein endt recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Mai 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 98–101
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0420.html
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