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Brief vom 11. Mai 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


421.


[101]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Heydelberg.

Marly den 11 May 1709.
Her[tz]allerliebe Louisse, vorgestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 3 April zu recht entpfangen, also zimblich frisch überkommen. Mein gott, wie jammert mich Amelise, allezeit in einem so ellenden standt zu [sein]! Gott gebe nur, daß es ein gutt endt nehmen möge undt sie völlig geneßen möge! Ich gestehe aber, daß mir recht bang vor sie ist, den man erstickt so leicht. Gott der allmachtige wolle Amelisse gnädig davor bewahren undt sie wider zur volkommenen gesundtheit verhelffen! Wünsche es von grundt meiner seelen. Man kan sich schir nicht über Amelise beßer sein erfrewen, weillen es, wen man meint, daß es ahm besten ist, wider umbschlecht. Ewere schrecken seindt leicht zu begreiffen, liebe Louise, undt ich beklage Eüch woll von hertzen drüber undt es ist leicht zu glauben, daß, wen man gleich nicht schreckhafft ist, daß man doch woll erschrecken kan, wen man eine liebe schwester in einem solchen standt sicht, wie Ihr Amelise schon etlich mahl gesehen habt. Daß beste doch ist, daß man in dem standt lang lebt. Deß königs leibdockter hir ist in den selben standt schon lange jahren undt ist doch ein alter man, er felt vor schmertzen in die gichter, alß wen er die schwer-noht hett. Ey, liebe Louise, glaubt doch nie, daß Ewere schreiben mich importuniren können! Den daß kan nicht sein undt wen Ihr mir gleich [102] alle tag schreiben soltet. Ja, wen Ihr meint, daß Ihr die eintzige seydt, so ihn 4 mauern steckt, ohne jemandts zu sehen, so betriegt Ihr Eüch sehr. Lenor, so jetzt da hinder mir sitzt undt mir den rucken kratzt undt alle jahr 6 mont hir ist, konte Eüch woll sagen, waß vor ein stilles undt, die rechte warheit zu sagen, langweilliges leben wir hir führen. Solche zeiten, alß nun sein, habe ich zeit meines lebens nicht erlebt. Solte mein sohn dieß jahr nach Spanien gehen, konte man dem generalmajor von Effern woll einen wechsel zukommen laßen; aber ist noch ungewiß, ob mein sohn hin wirdt oder nicht. Pistollen seindt nun thewere war; bey dießer hungersnoht hatt ein jeder daß seine gar hoch von nöhten, weiß also nicht, wie man dießen graffen helffen könte. Alles ist gar wunderlich nun. Gott gebe baldt einen frieden! Es ist in der gantzen Christenheit hoch von nohten. Ihr werdet nun schon erfahren haben, wie betrübt mademoiselle de Malausse nun ist, ihren oncle, den mylord Feversham, verlohren zu haben. Von hir kan ich gantz undt gar nichts neües sagen, muß derowegen schließen, ambrassire Eüch undt Amelise von hertzen undt versichere, daß ich Eüch allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Mai 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 101–102
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0421.html
Änderungsstand:
Tintenfass