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Brief vom 15. Juni 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


425.


[108]
Marly den 15 Juni 1709.
Hertzallerliebe Louise, heütte werde ich woll kein neües schreiben von Eüch entpfangen; den alle brieffe, so ahnkommen, gibt man mir hir erst den andern tag. Ich habe aber noch auff eines von Ewern lieben schreiben zu antwortten, werde also ahnfangen, wo ich vor 8 tagen geblieben war, nehmblich wo Ihr mir den pressident von der pfaltzischen regirung, den herrn von Hillesheim,[1] so sehr rümbt. Thewer geht noch woll hin, wen nur nichts fehlt. Ich glaube, daß, wen noch so ein winter käme, wie der letzte, so wir gehabt haben, würden menschen undt vieh vergehen. Zu meiner zeit habe ichs offt geschehen sehen, daß man leütte auff den heylligen berg ermordt hatt, die ich in meinem bett hatt schreyen hören. Ihr habt in Ewerm letzten nicht gedacht, liebe Louisse, ob man erfahren, wer der arme ermorte mensch geweßen. Es könte auch woll ein düel geweßen sein, weillen der todte waß rechts scheindt zu sein. Ich kan leicht glauben, daß Petter, so Carlutz laquay war, nicht schönner geworden; ich meintte aber, er were von meinem alter, wundert mich, daß er 3 jahr alter ist. Ich erinere mich noch, wie er alß mitt kreitten striche machte undt dabey so geschwindt sagte: Dam dam dam dam diridiridey, heütte wollen wir lustig sein, lustig sein ist woll gethan, da sollen es ein undt dreysig stan, undt daß fundt sich in den strichen.[2] Petter muß reich sein, den sonsten were es ohnmoglich, eine solche figur zu heürahten. Ich erinere mich Ewers kutscher gar woll. Er gleicht seinem vatter so perfect, daß ich ihn vor seinem vatter ahngesehen undt geruffen, hatt auch eben so einen roden schnaußbart; mein leben habe ich nichts gleicher [gesehen]. Es nahm mir nur wunder, daß Ambrossius, ahnstatt zu veralten, verjungert ware, biß ich entdtlich erfuhre, daß es der sohn war. Ich kan nicht begreiffen, worumb der Eberfritz, der Veningen, mir alle jahr einen pasport vor seinen sohn schicken macht undt ihn doch nicht schickt.[3] [109] Ich weiß, daß der elste Bernstein die schwere-noht hatt; daß ist nicht leicht zu couriren, vor nichts in der weldt graust mir mehr. Der Bernstein, den ich hir lang bey mir gehabt, ist gar ein gutter undt feiner mensch. Ihm krieg bekompt man offt sachen, womitt man sein gantz leben zu thun hatt. Viel leütte haben so woll, alß die graffin von Effern, auff den lieben frieden gewahrt, es ist aber leyder nichts drauß [geworden]. Der allirten propossitionen seindt zu barbarisch; es ist beßer verderben undt sterben, alß solche eingehen. Ich weiß nicht, wie man es hatt erdencken können undt glauben, daß unßer könig solche eingehen würde. Man sagt: Hoffart kompt vor den fall; also hoffe ich, daß mylord Marlbouroug undt printz Eugenes insolentz auch werden gestrafft werden. Der letzte solte sich erinern, daß dieß landt sein vatterlandt undt er deß königs unterthan geboren ist. Ich bin recht gegen ihn piquirt, den frieden verhindert zu haben, wozu ihn nicht daß gemeine beste, sondern sein eygen nutz betracht[4] hatt. Der churfürst von Braunsweig ist vergangen jahr gewitzigt worden; er wirdt nicht wider zur armée, man gebe ihm dan, waß ihm nöhtig ist. Gott gebe, daß es sich so viel mitt Amelisse beßern möge, daß sie nach Herrnhaußen kommen kan! Es verlangt mich biß morgen, umb zu hören, wie es mitt ihr ist; den ich bin recht bang, es mögt endtlich ein schlim endt nehmen. Ich mache meine reflectionen, wie unßer herrgott seine gnaden so wunderlich außtheilt. Ihr beyden habt Ewere freyheit undt seydt nicht gesundt, ich aber lebe in der sclaverey undt bin frisch undt gesundt. Darauß sicht man, daß man in dießer welt nicht alles guts beysamen haben kan.[5] Die doctoren haben nicht just von Amelisse judicirt; daß macht mich fürchten, daß sie ihre kranckheit nicht recht kenen. Daß mühlspiel ist ein soltattenspiel, in alle corps de garde findt man es. Hir haben wir seyder 8 tagen viel neües. Der ministre vom krieg ist, so monsieur de Chamilliart[6] heist, ist abgesetzt worden undt ein conseiller d’estat undt intendent von St Cire[7] ahn seinen platz gesetzt. Durch dießes letzte wordt sicht man [110] woll, wer die sach gethan hatt.[8] Mir ist deß monsieur de Chamilliars unglück leydt; den er hatt mir gefallen gethan, wo er gekönt hatt, undt der jetzige, umb sein cour ahn seine bienfaitrice zu machen, mögte woll daß contrari thun. Dem seye, wie ihm wolle, so will ich mich nicht vor der zeit plagen undt erwartten, waß drauß werden wirdt. Daß habe ich endtlich gelernt, mich in alles zu schicken können. Aber der gutte ehrliche Chamilliar hatt mich recht gejammert. Seine döchter[9] sein schultig ahn ihres vatters unglück. Die fraw war eine gutte fraw, aber die gar zu große complaisance vor ihre döchter, die nie nicht genung hatten, hatt sie alle verlohren; den daß hatt sie viel böße sachen thun machen, die sie woll hetten unterlaßen können. Der könig gibt dem monsieur de Chamilliart noch 20 m. thaller pension undt der monsieur Voisin gibt ihm 8 mahl hundert taußendt francken vor die charge; der sohn bekompt eine pension von 12 m. francken undt kaufft die survivance von der charge von monsieur de Cavoy, [10] so grand-marechal des logis ist. Dießen morgen ist madame la duchesse ins kintbett kommen undt zimblich übel geweßen von einem sohn, zu Versaille. Monsieur le dauphin undt monsieur le duc de Bery undt die duchesse de Bourgogne seindt nach Versaille, die kindtbetterin zu besuchen. Morgen werde ich auch hin, aber wieder hir zu nacht eßen undt schlaffen. Versaille ist gar nahe hir bey, in 3 viertel stundt fährt man hin, ohne gar geschwindt zu fahren. Daß ist alles, waß ich Eüch dißmahl sagen werde. Ambrassirt Amelisse von meinetwegen undt seydt versichert, daß ich Eüch beyde allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Juni 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 108–110
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0425.html
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