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Brief vom 6. Juli 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


428.


[114]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Heydelberg.

Versaille den 6 Julli 1709.
Hertzallerliebe Louisse, waß Ihr mir in Ewerem lieben schreiben, so ich alleweill entpfange, vom 28 Juni von Amelisen zustandt schreibt, setzt mich recht in sorgen vor sie. Gott gebe, daß ich mich betriege undt daß, ahn statt ein schlim endt zu nehmen, ich baldt erfahren möge, daß sie wider zur volkommener gesundtheit kompt! Aber ihre kranckheit kompt mir leyder gar gefahrlich vor. Es ist ein junger Lotteringscher, deß comte de Briene[1] sein sohn undt monsieur Darmaniac[2] enckel, der ist ahn eben selbiger kranckheit vorm jahr auff den todt gelegen. Man gabe ihm viel ein, zu pißen, er bekam ein flux d’urine; daß hatt ihn salvirt undt monsieur Fagon[3] sagt, daß die brustwaßersucht anderst nicht können courirt werden. Ihr kont woll gedencken, liebe Louisse, daß ich nicht pretendire, daß Ihr mir andtwortten solt, wen Amelise Ewer von nöhten hatt, oder Ihr in der großen betrübtnuß undt forcht stehet, sie zu verliehren. Gott der allmächtige wolle Ewere threnen in lautter freüden verwandeln! Ich mögte wünschen, daß Ihr mir baldt schreiben mögt, daß Amelisse ein flux d’urine hatt; den bekompt sie den, so ist sie courirt. Die lustige krancken jammern einen viel mehr, alß die gritliche. Die kinderblattern seindt sehr gefahrlich undt laßen offt schlimme rest. Ihr könt nun woll sagen, wie in der heylligen schrifft: Der herr legt unß eine last auff, aber er hilfft unß auch.[4] So lang man bey seinen krancken ist, bleibt man zu sehr occupirt, umb zu fühlen, daß einem nicht woll ist, aber auff die lenge spürt mans woll undt solche schrecken bekommen einem gar nicht woll. Die threnen, so Ihr vergiest, [115] werden Eüch, liebe Louisse, nicht woll ahn den augen thun, aber in den angsten undt schrecken fühlt man nichts. Ich bin Eüch woll verobligirt, mir so langes leben zu wünschen undt ma tante auch, ohne welches ich woll nicht zu leben begehrte, aber unßer herrgott wirdt leyder nichts neües vor unß machen. Es ist nur gar zu wahr, daß der könig sein golt-, aber nicht sein silbergeschir in die müntz [geschickt], noch ich auch nicht, aber die printzen vom geblüdt.[5] Man muß hoffen, daß der krieg einen gutten frieden endtlich zuwegen bringen wirdt. Ich habe woll gedacht, daß Ihr verwundert sein würdet, daß ich mich deß Petters kreydenstrich noch erinere.[6] Waß in meinen jungen jahren vorgangen, erinere ich mich beßer, alß waß vor 10 jahren geschehen. Da kompt mein sohn herein. Es ist heütte 9 tag, daß ich ihn nicht gesehen, muß also schließen, ambrassire Amelisse undt Eüch von hertzen undt werde Eüch all mein leben lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Juli 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 114–115
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0428.html
Änderungsstand:
Tintenfass