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Brief vom 31. August 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


436.


[122]
Marly den 31 Augusti 1709.
Hertzliebe Louisse, vor etlichen tagen habe ich Ewer schreiben vom 18 hir entpfangen undt will noch drauff antworten, ehe wir von hir gehen; den wen man zu Versaille, hatt man alß so viel zu thun undt zu schäfftlen, umb sich wider einzurüsten, daß man nicht zu recht kommen kan, will derowegen dießen morgen schreiben. Ihr habt gar woll gethan, liebe Louisse, Ewere tanten zu besuchen, den reißen gibt distraction. Wolte gott, liebe Louisse, ich konte waß erdencken, so Eüch trösten könte! Wie gern wolte ich mich dazu bemühen! Die arme Amelisse hatt mich manchmahl mitt Ihre schreiben erfrewet, den sie schriebe poßirlich undt recht natürlich. Ich hatte sie recht lieb. Ihr todt ist mir recht zu hertzen gangen. Ich habe ja vor Carllutz, Caroline undt alle Ewere brüder getrawert, also konte dieß Amelisse nicht fehlen. Ich gestehe, daß die, so ich lieb gehabt habe, deren leben mogt ich alß wißen biß ahns endt, waß sie gedacht undt gerett haben. Mich deücht, daß macht mehr reflectionen auff den todt machen. Ich habe woll gedacht, daß sie gar gottsförchtig undt resignirt sterben würde. Wen eine betrübte so erschrecklich ist, wie die Ewere, so spricht man gern von seinem unglück; drumb schewe ich mich auch nicht, noch davon zu sprechen. Ich finde, daß Ihr groß recht gehabt hatt, [123] Amelise nicht zu öffnen laßen; den man stirbt ja nur, wen die bestimbte stundt komen ist undt eher nicht; auch sicht man nicht, seyder man so viel leütte öffnet, daß ein eintzig mensch davon ist salviret worden. Hir öffnet man die corper nicht eher, alß nach 24 stunden, seindt also nicht mehr warm. In meinem testament habe ich verbotten, geöffnet zu werden. Daß Amelise etlich[mal] gefabelt hatt, nimbt mich gar kein wunder. In den gemeinen fiebern fable ich gleich nach dem schlaff. Die fraw Leinenschloß, so Amelise in ihrer kranckheit gewahrt, ist es deß geweßenen professers fraw? undt der docktor Mieg ist es einer von der[1] vitze-cantzler Mieg seinen sohn?[2] Ich bin gewiß, daß unßere alte gutte Pfältzer recht betrübt über Amelisse werden gewest sein. Daß Ihr so gezittert, wie Ihr Amelisse endt erfahren [wundert mich nicht]; den ich habe nie dergleichen schrecken [gehabt], daß ich nicht auch gezittert mitt solcher macht, daß ich keinen schritten gehen konnen. Es ist mir recht von hertzen leydt, daß die gutte fraw von Wolmershaußen so gar übel ist; daß sie aber resolut stirbt, nimbt mich nicht wunder, den sie ist all ihr lieben[3] hertzhafft undt courageuse geweßen. Ihr sagt nicht, waß vor eine kranckheit die gutte fraw von Wolmershaussen hatt. Wen Ihr ihr schreibt, bitte ich, sie von meinetwegen zu grüßen undt ihr [zu] sagen, wie hertzlich leydt es mir ist, sie übel zu wißen. Daß rechte mittel, lang zu leben, ist, wie die fraw von Wehlen[4] zu thun, nehmblich sich suchen zu divertiren undt umb nichts zu bekümern. Von allen spielger von freüllen Charlotte oder fraw von Wehlen erinere ich mich nur von dem: Da kompt er hergegangen undt threhet sich ein mahl herumb undt wider ein mahl herumb mitt einem freündtlichen tack-tack-tack undt einen freündtlichen tick-tick-tick undt wider ein mahl herumb. Ich bin dießen zwey damen recht verobligirt vor ihr ahndencken. Ich wünsche von hertzen, daß die gutte liebe fraw von Wollmershaussen wider geneßen möge. Ich habe sie noch alß lieb. In dem sturm von der betrübtnuß wirdt man nie kranck, aber hernach findt es sich nur gar zu baldt ein undt, waß noch mehr ist, so macht es einem indifferent in alles undt man kan kein lust recht mehr in nichts nehmen. Ich habe schon 3 schreiben von ma tante von Braunsweig bekommen. Ich bin recht fro, daß I. L. dieße [124] verenderung haben. Es ist betrübt, seine leütte abzuschaffen, so affectionirt sein. Lasts Euch nicht gerewen, mir einen langen brieff geschrieben zu haben! Ich habe ihn nicht zu lang gefunden. Waß Ihr unsauber geschriben heist, ist wie ein exemplar von schönner schrifft vor mich, den ich schreibe gar heßlich, auch konnen die nur meine schriefft auff Teütsch undt Frantzösch kan niemandts leßen, alß die, so es gar gewont sein. Ich sehe mein leben nicht darnach, ob ein schreiben sauber oder gekleckst geschrieben ist, sehe nur, ob, die sie mir schreiben, mich lieb haben; den findt ich alles schon undt gutt. Ihr hettet groß unrecht gehabt, Ewern brieff abzuschreiben, liebe Louisse! Den wie Ihr secht, so habe ich ihn ja gar woll geleßen undt andtworte sehr exact drauß.[5] Es ist rühmblich ahn die konigin in Denemarck, ahn Eüch so fleißig gedacht [zu haben]; aber wen ich sagen darff, so schreibt ihr herr Kötzschau ein wildt Frantzosch. Ich schicke es Eüch wider. Solche fraßen hört man hir nicht, man kans nicht ohne lachen leßen. Nichts ist verdrießlicher, alß viel glockengeleüte zu hören, es betrübt einen in den todt. Ich bin bang, ich vergeß mein Teütsch undt rede es itzunder wie der herr Kötzschau Frantzösch. Wen mir daß wiederfährt, bitte ich Eüch, liebe Louise, corigirt mich undt helfft mir wider auff die rechte sprüng! den so mag ich nicht reden. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen, wünsche, daß Eüch Ewere trawerigkeit mitt taußendt freüden möge ersetzt werden, den ich habe Eüch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. August 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 122–124
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0436.html
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