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Brief vom 7. September 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


437.


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Versaille den 7 September 1709.
Hertzliebe Louise, weillen Ihr mir versichert, daß meine schreiben Eüch tröstlich sein, so will ich gar keine post verseümen. Amelise war tugendtsam, dabey von gutten lustigen humor. Ihr seydt all Ewer leben beysamen geweßen. Es ist leicht [zu begreifen], waß eine solche separation vor trawerigkeit bringen kan; beklage Eüch woll von hertzen. Trawerigkeit, wie alle andere sachen in der welt, muß seine zeit haben. Es ist keine thorheit, zu thun, waß man nicht endern kan. Die threnen schaden mehr, wen [125] man sie verbeist, alß wen man sie fließen lest. Aber Ihr solt zuchen, liebe Louise, ahn waß anderst zu gedencken; die distraction kan allein in dießen occassionen nutzen. In solchen betrübtnüßen wirdt man nicht gleich kranck, erst etlich mont hernach. Daß ist gewiß, daß die betrübtnuß zum himmel führt; den gott ist zu gerecht, 2 mahl zu straffen. Es ist auch woll war, daß eine hefftige betrübtnuß den abscheü vom todt benimbt, aber, hertzliebe Louisse, trawerigkeit kan nicht allezeit dawern, undt wen sie vorbey, ist es einem nicht leydt, nicht gestorben zu sein. Es ist mir recht lieb, zu vernehmen, daß daß sawerwaßer Eüch so woll zuschlägt; wünsche von hertzen, liebe Louise, daß es Eüch bey volkommener gesundt[heit] erhalten möge. Woll schlaffen nach einer großen betrübtnuß kompt langsam wider. Ich erinere mich noch, daß nach I. G. deß churfürstens, unßers herrn vattern, todt bin ich lenger, alß 8 tag, geweßen, ohne ein aug zu zu thun können, undt lenger, alß 3 monat, ohne lenger, alß 4 stundt, nachts zu schlaffen können. Weillen ma tante nun schon wider zu Herrnhaussen ist seyder den drey undt zwanzigsten August, so zweyffle ich nicht, daß Ihr, liebe Louisse, auch wider dort seydt; drumb werde ich dießen brieff morgen in ma tante paquet thun, weillen ich Eüch nun zu Hernhaussen glaube zu sein. Den weillen es morgen der 8 ist undt Ihr den 4ten von Heydelberg weg seydt, werdet Ihr gleich zu Franckfort erfahren haben, daß ma tante wider zu hauß ist, also Ewere reiße beschleünigt [haben]; drumb werde ich diß paquet auff Hannover adressiren, den nach meiner rechnung werdet Ihr morgen dort ahnkommen, also dießen brieff entpfangen können, so erst über 8 tag hin wirdt. Da habt Ihr recht, liebe Louise, kranck sein schickt sich nicht bey hoff. Warumb soltet Ihr mir nicht von Hernhaussen schreiben konnen? Ich werde Eüch, wie nun, alle sambstag schreiben; den es ist beßer, daß mein brieff ein tag alter ist, alß den, so ich ahn ma tante schreibe, alß keine zu bekommen. Da habt Ihr groß recht, nicht mehr in dem hauß zu wohnen wollen, wo die arme Amelise gestorben ist, aber hirvon will ich weytter nichts sagen, umb Eüch nicht ahn Ewer unglük zu gemahnen. Ihr sagt woll, liebe Louisse, daß Manheim wider gebawet ist; Ihr sagt aber nichts von Friderichesburg, ob daß wider auffgericht ist oder nicht. Den gutten ehrlichen Fucks kene ich gar woll; ich heiße [ihn] nur den Sejanus, weillen er einmahl dieße commedie gar woll [126] mitt meinem bruder s. gar woll gespilt hatt. Wie ich I. G. mein fraw mutter zu Bockenheim aufwartete, waß Sejanus bei I. G. Sie hatten ihn nicht anderst, alß gar ernsthafft, geschehen.[1] So baldt ich ihn sahe, riffe ich gleich: Die göttern bewahren den großmachtigen Sejanus! Da konte ers nicht mehr halten, fing gleich ahn, zu agiren. Mein fraw mutter meinte, er were auff einmahl narisch worden.[2] Zu meiner zeit war kein lutherische kirch zu Manheim, noch keine catholische, aber woll eine artige wollgebawete sinagogue. Die Reformirten seindt nicht gar eyfferig zu Manheim, wie ich sehe, daß sie nicht ihr bestes vor ihre kirch thun, daß sie wider gebawet mag werden; sie solten in Hollandt undt Engellandt ihre queste thun. Will Churpfaltz lieber in der statt, alß in der cittadel, logiren? Daß kompt mir ungereimbt vor. Alleweill kompt man mir sagen, daß die kutschen kommen sein, werde nach St-Clou, meine enckeln zu besuchen; kan derowegen vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louise, allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. September 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 124–126
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0437.html
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