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Brief vom 27. Dezember 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


454.


[150]
Versaille den 27 December 1709.
Hertzallerliebe Louisse, vergangen Christag habe ich 2 liebe schreiben von Eüch entpfangen, abendt, wie wir auß der kirch gekommen sein. Donnerstag habe ich nicht drauff andtworten können, weillen ich ahn ma tante nicht allein einen gar großen brieff geschrieben, sondern auch einen ahn meine dochter durch einen von deß hertzog von Lotheringens rähten undt noch bey andere brieffe dabey, so mich biß umb 10 auffgehalten. Gestern fuhr ich nach Paris; mademoiselle, mein enckel, so wir jetzt hir haben, fuhr mitt mir nach Paris, wir funden ihre 3 schwestern in volkommener [gesundheit]. Die 3 aßen mitt mir, nehmblich mademoiselle, mademoiselle de Chartre undt mademoiselle de Valois. Sie wahren den gantzen tag lustig, lachten, spilten in meiner cammer, gingen mitt mir ins opera. Mademoiselle de Chartre wurde ein wenig übel, aber weillen sie sehr delicat ist undt sich leicht übergibt, wen sie fisch ist, nahm es niemandts wunder. Mademoiselle de Valois verließ ich umb halb 9 in perfecter gesundheit. Dießen nachmittag bekommen wir brieff von Paris, daß sie daß fieber ahngestoßen mitt kopffwehe undt die kinderblattern seindt außgeschlagen ahn den lenden, die brust undt den magen. Ich kamme gestern erst ein viertel auff 11 von Paris; den es war so abscheülich glateyß gefrohren, daß meine kutschepferdt alle augenblick umbfiehlen, könte also nicht so geschwindt fahren, alß ordinarie. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich auff E. L. gnädiges[1] schreiben komme, fange bey dem vom 10 ahn. Ich habe woll gefürcht, daß [151] Ewer stillschweygen wider wegen Ewere augen sein würde, welches mir von hertzen leydt ist. Vor 8 tagen habe ich Eüch in zwey schachtelger von dem gelben balsam, von rechten beaume du Perou [geschickt]; der ist aber nie recht clar, sondern braun undt eine dicke gomme, wie Ihr sehn werdet. Ist es aber vielleicht le beaume blanc, den man hir le beaume de la Meque, undt nicht beaume du Perou, heist, so habe ich den auch undt werde Eüch davon schicken, wen Ihr ihn wolt, konte mirs nur zu wißen thun. Wie Ihr secht, so hatt ma tante mir von dem beaume geschriben. Ich bin sehr fro, daß I. L. der churfürst undt seine gantze famille mein guttmeinig compliment so güttig auffgenohmen haben. Es ist zwar war, daß ich I. L. den churprintz nicht persönlich kene, allein so seindt I. L. mir ja nahe genung verwandt, umb mich vor sie zu interessiren undt wens auch nur umb ma tante were, deßen[2] enckel er ja ist. Die churprintzes hette groß recht, zu wünschen, daß ihrer kinder ahngen anderst wehren; ich wolte daßelbe auch vor meine enckel wünschen. Es ist die mode, schönne medger zur weldt zu bringen; die unßere ist auch recht hübsch, ich habe sie gestern zu Paris gesehen, da sie schon ist. Ihre fraw mutter ist noch nicht auffgestanden. Mein enckel, der duc de Chartre, ist zwar groß vor sein alter, aber so unerhört delicat, daß mir alß recht bang bey ihm ist, fürcht alß, er wirdt nicht bey dem leben bleiben. Mich deücht, Ewer schwager hatt unrecht, Ewern neuveu nicht nach Hannover geschickt zu haben. Mich deücht, Ewer neuveu ist noch gar jung, umb ein capitaine des gardes zu sein; mir ist es recht lieb, daß er so baldt in chargen kompt. Weillen er capitaine des garden, kan er nicht in campagne gehen undt muß woll die königin bewahren. Die königin wirdt ihm vielleicht eine fraw verschaffen. Ich bin recht betrübt, daß der frieden nicht gemacht wirdt. Ich interessire mich noch in alles, waß herr Max kinter betrifft, bin also fro, daß sie gesundt von der schlagt kommen sein undt ihnen nichts übels widerfahren ist. Es ist leicht zu glauben, daß seine söhne hübsch sein. Es wer warlich wider einmahl zeit, daß man friden macht; der krieg hatt lang genung gewehret. Wenn der churfürst von Bayern ein voeux gethan, alles überzwerg zu thun, so kan er content von seinem gelübte sein; hette schir gesagt, wie [152] ein Judt zu Heydelberg, der sagte: Verheütter habe ich mein leben nicht erlebt. Er jamert mich doch. Der herr vatter vom könig in Poln war immer sternvoll, wie eine bestié; der konte ja in dem standt nicht hofflich sein. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben vollig beantwortet, komme jetzt auff daß vom 13, sehe mitt freüden drauß, daß Ewere augen wider beßer sein. Ich mag brieff von Eüch bekomen oder nicht, so werde ich Eüch doch alle sambstag schreiben, weillen ichs Eüch versprochen. Ich will noch lieber zeittung von Eüch haben durch eine andere handt, alß gar keine zu entpfangen. Ich muß mich verschrieben haben, den es war nicht in der commedie, daß der schlag die 2 marechalle gerührt,[3] sondern es ist geschehen in der zeit, da wir in der commedie wahren, sie wahren aber nicht drin. Daß lachen ist waß rares hir, geschicht selten. Ich glaube, daß, wen mir ma tante die gnade nicht thete, zu schreiben undt zu berichten, waß in der weldt vorgeht, würde ich wie ein baum oder kraut werden undt nicht mehr wißen, waß in der welt vorgeht, auch gar zu reden vergeßen. Ich erinere mich meiner kirscherin von Heydelberg noch, sie war vor 40 jahren ein hübsch weibgen, konte braff plaudern. Daß fehlt ihrem sohn, dem Spiegel,[4] auch nicht, allein er ist abscheülich heßlich, wirdt nicht von die Moscowitter, alß in allen ehren, geliebt wehren. Bey dem Veninger, dem Eberfritz, wirdt die kirscherin zu thun finden, er solle über die maßen karg sein. Ma tante hatt mir kein wordt von ihrem geschwollenen backen geschriben, werde also mich auch nichts darvon mercken laßen. Es fengt nun recht ernstlich ahn seyder Christag zu friren, alle brunen seindt zugefrohren. Gott gebe aber, daß der winter nicht so graußam werden möge, wie vorm jahr! Wen man flüße hatt, solte man bey dießem wetter nicht außgehen; den ein rohtlauffen ist gar gefährlich, wens einschlägt. Gott bewahre ma tante, unßere liebe fraw churfürstin, vor dergleichen accident undt erhalte sie noch viel undt lange jahren bey volkommener gesundtheit! Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
[153] P. S.
Weillen ich Eüch diß jahr nicht mehr schreiben werde, alß wünsche ich Eüch hirmitt nach hochlöblichen alten teütschen brauch ein glückseeliges, friedt- undt freüdenreiches neües jahr undt daß Ihr vielle jahre noch mitt beßern augen undt weniger chagrin undt betrübtnuß zubringen möget undt ein getrost undt zufriedenes leben führen moget, liebe Louisse, undt seydt versichert, daß ich dießelben sentiementen vor Eüch behalten werde, alß Ihr all Ewer leben ahn mir verspürt habt! Ich hoff auch, daß Ihr mich lieb behalten werdet.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Dezember 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 150–153
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0454.html
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