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Brief vom 11. Januar 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


456.


[153]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hanover.

Versaille den 11 Januari 1710.
Hertzliebe Louise, vergangen montag nachmittags habe ich 2 [154] schreiben von Eüch entpfangen vom 20 undt 24 December 1709, worauf ich hiemitt andtwortten werde. Ewer schreiben, liebe Louisse, vom 20sten konte singen: J’aures beau me presser, je partires trop tard, wie Alcide im opera von Alceste singt.[1] Ich dancke Eüch sehr, liebe Louise, mir glück zu meinem enckel mademoiselle de Monpensier zu wünschen; ich werde aber weder freüdt noch leydt ahn ihr erleben, den wen sie groß wirdt sein, werde ich lengst unter der erden sein. Vor Ewern neüjahrswünsch bedancke ich mich auch undt wünsche Eüch hergegen alles, waß Ewer hertz wünschet undt begehrt, aber insonderheit eine gutte gesundtheit undt gesunde gutte augen. Daß ist alles, waß ich auff Eweren letzten brieff sagen werde. Ich komme jetzt auff den ersten, bin fro, daß meine schreiben nicht verlohren werden, ob sie zwar gar langsam gehen noch. Der zeit bin ich, gott seye danck, in volkommener gesundtheit, aber ich wolte nicht schwehren, daß mir nicht baldt ein braffer husten zukommen möge; den die kalte ist seyder 3 tagen hir nur 9 gradt weniger ahn meinem termomettre, alß es vergangen jahr war. Ich glaube, daß ich die einitze[2] von gantz Franckreich bin, so nie nichts braucht, alß wen ich recht kranck bin, habe mich aber bißher recht woll dabey befunden, werde also meine manir folgen. Mein neüer docktor, so dergleichen nirgendts funden, fragte mich gantz ernstlich, ob ich kein remede auß Teütschlandt gebracht hette oder ein preservatif; daß machte mich sehr lachen. Gott seye danck; daß ma tante bey volkommener gesundtheit ist undt erhalte I. L. noch viel undt lange jahren dabey! Ich hoffe, Ihr werdet Eüch von keinem frantzöschen chirugien mehr persuadiren laßen. Glaubt mir, liebe Louisse! je mehr man artzeneyt, je mehr man artzeneyen muß. Daß ist woll war, daß alles ist, wie der herr will, aber auff dießem glauben muß man doch vor seine gesundtheit woll [sorgen]; den wir wißen nicht, durch welches mittel unß der allmächtige couriren wirdt, also muß man woll thun, waß rahtsam ist, aber hernach sich woll in den willen gottes ergeben. Die person, welche Ihr findt, so vom alten Adam noch herrührt, rührt mehr von der schlang, alß von Adam her; den Adam war einfältig, aber die schlang war falsch undt boßhafft, von deren helt sie. Heyligkeit kompt so spät nicht, man stirbt, wie [155] man gelebt hatt. Ma tante hatt mir verzehlt, wie sie mitt I. L. dem churfürsten, ihren herrn sohn, gevatter bey dem polinischen abgesanten geweßen, aber Ihr sagt mir, liebe Louisse, particullaritetten, so nicht in I. L. brieff stehen; alßo bitte ich Eüch, mir alß zu verzehlen, waß vorgeht, den daß divertirt mich recht. Von hir kan ich Eüch nicht viel neües verzehlen. Der hoff ist zertheilt, monsieur le Dauphin undt mein sohn seindt zu Meudon. Madame la duchesse de Bourgogne ist in ihrem 9ten mont, man hatt I. L. zur ader gelaßen. Sie hatt ein artig theatre in ihren eßsahl auffrichten laßen, da spilt man nun comedie; dießen abendt werden wir Le missantrope[3] haben, in einer halben stundt. Mitwog hatten wir Polieucte undt L’esprit de contradiction.[4] Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Januar 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 153–155
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0456.html
Änderungsstand:
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